zum Text springen ·  zur Suchform springen. (Achtung! nicht auf allen Unterseiten vorhanden)

Rattarium  

Warnungen zum Inhalt

In diesem Beitrag geht es um die Begriffe

  • Content Notes (CN, allgemeine Angaben, teils Warnung zum Inhalt)
  • Trigger Warnungen (TW, Inhalte, die bei manchen Menschen eine Art Schock auslösen können.)
  • Positive Tags (ähnlich wie CN, jedoch als positive Verstärkung, was thematisch z. B. von der Zielgruppe gerne gelesen werden könnte)
  • Sensitivity Reading (Ein Gegenlesen einer dafür sensibilisierten Person.)
  • Beispiele für CN/TW

Nachfolgend ein Plädoyer für die Nutzung der genannten Begriffe, sowie weitere Überlegungen und Informationen dazu.

CN – Was sind Content Notes

Auch wenn es tatsächlich in der Buchbranche noch nicht überall angekommen ist, sie zu verwenden, oder es sogar Stimmen dagegen gibt, die beispielsweise befürchten, dass so unbeabsichtigt Handlungselemente enthüllt würden (auch Spoiler genannt), möchte ich dringend anraten, derartige Hinweise jetzt und zukünftig zu verwenden. Mit diesen Informationen können sich Lesewillige grob darauf vorbereiten, was sie im Text erwartet.
Ist es das Genre, das gemocht wird, interessiert mich die Handlung? Klar ist es vermutlich kaufentscheidend, wenn vorher zumindest erahnt werden kann, in welche Richtung der Lesegenuss gehen wird. Ich mag zum Beispiel keine Thriller und überlege oft sehr genau, ob ich mich dem dennoch aussetzen möchte.

Hinweis: Die Gefahr des Spoilerns besteht meiner Meinung nach nicht! Ein einzelnes Wort in den Inhaltshinweisen nimmt kaum die Handlung vorweg. Aus einem Klappentext oder aus Kapitel-Überschriften lässt sich ja auch nicht wirklich auf Geschehnisse im Buch schließen.

TW – Trigger Warnungen oder Content Warning

Eine reale Gefahr besteht jedoch, wenn TW fehlen, wo sie dringend benötigt wären. Jede Person reagiert anders auf Schlüsselreize. Manche mehr, manche weniger. Dies sollte jedoch für uns Schreibende kein Freibrief sein, zu sagen, dass dieser eine Begriff, wenn er in der Liste fehlt, doch nicht so aufregend sein kann, wenn eins das selber nicht empfindet. Für die andere Person kann diese Unterlassung schlimm werden, sehr schlimm.
Ich selber habe bestimmte Phobien (die ich aus Gründen nicht näher hier ausführen werde), die mich regelrecht in einen aufgeregten Schockzustand versetzen können, mir nächtens Albträume bereiten, falls ich ihnen durch Wort oder Bild ausgesetzt werde und das über Tage.

Ein anderes schlimmes Beispiel, das vielleicht eher nachvollziehbar ist, war ein Erlebnis mit einem ansonsten sehr spannenden und gut zu lesenden Fantasy-Roman, der mich völlig unvorbereitet mit mehreren Szenen äußerst brutaler sexualisierter Gewalt konfrontierte. Möchte ich so nicht noch einmal erleben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn so, wie ich Bücher lese, zumal, wenn sie spannend geschrieben sind, durchlebe ich das Geschehen mit. Auch die schlimmen Dinge, oder diese sogar besonders. Und ich vergesse sie leider nie wieder. Diese Szenen im Buch verfolgen mich bis heute.

Glaubt mir, solches kann lesenden Personen leicht erspart werden, indem es diese Warnhinweise gibt.
Leute können sich mental darauf vorbereiten, was sie im Text erwartet. Und so selber entscheiden, ob oder wann sie das lesen wollen – oder eben auch nicht lesen können oder mögen. Keine Verkaufszahlen oder Klick-Ergebnisse rechtfertigen es in meinen Augen, dass Menschen sich mindestens unwohl fühlen, schlimmstenfalls mit fatalen Folgen getriggert werden.

Positive Tags

Auf diese Art Inhaltshinweise bin ich selber auch erst vor Kurzem gestoßen. Instinktiv hatte ich bei einigen meiner früheren Projekte versucht, diese in den CN unterzubringen. Das wurde mir berechtigterweise angemerkt, warum ich denn beispielsweise vor queerem Inhalt „warnte“, das sei doch eher positiv. Dabei wollte ich lediglich herausstellen, dass es zum Beispiel queere Charaktere in meinen Geschichten gibt, oder Neopronomen verwendet werden, was ja wirklich keiner Warnung bedarf, weil es sonst abwertend wäre.
Des Weiteren, dass vielleicht keine Sexszenen vorkommen, oder dass kein Wesen zu Schaden kommt. Oder dass der Roman etwa ein Sensitivity Reading (SR) hatte, bei dem problematische Inhalte gegengelesen wurden (bezüglich unbeabsichtigter versteckter -ismen, wie Rassismus, Behinderten- oder Transfeindlichkeit, Fat-Shaming, etc.), die beim Schreiben übersehen werden, weil möglicherweise nie alle internalisierten Aspekte berücksichtigt werden können, auch unwissentliche und unbeabsichtigte.
Persönliche Anmerkung: Ein SR ist mir inzwischen sehr wichtig, finde es sogar viel wichtiger als Korrektur oder Lektorat.
Mein Rat: Wenn es (finanziell) geht, bitte immer ein oder mehrere SR machen lassen oder vom Verlag verlangen, wenn es irgend machbar ist. Doch sollten gerade für die S.-Reader schon bekannte oder vermutete CN mitgegeben werden. Auch SR-Lesende können getriggert werden. Sensitivity Reading zeigt diese Probleme auf und macht evtl Vorschläge zur notwendigen CN/TW und Text-Verbesserung, die von Autor_innen eingearbeitet werden können. Es ist keine Bevormundung, es kann jedoch ebenfalls Lesendes vor Verletzungen schützen.

Wo sollten diese CN und TW-Hinweise platziert werden?

Print: Bestenfalls sollte mindestens vor dem Text am Buchanfang ein Hinweis darauf stehen, dass sich eine ausführliche Liste am Ende des Buches befindet. (Ich nehme zur Vereinfachung nun den Begriff Buch/Roman, obwohl ich auch an Social Media-Einträge denke oder Blogs auf Internetseiten.) Diese Liste könnte ebenso gut gleich insgesamt am Anfang des Buches stehen. In Printexemplaren ist dies wohl relativ egal. Da lässt sich leicht hin und her blättern. Möglicherweise ist auch ein Verweis auf eine Verlags- oder Autor_innen-Seite im Internet hilfreich, auf der solche Begriffe stünden. Einen Link/QR-Code ins Buch zu schreiben, der zu anderen Medien führt, ist zudem deswegen vorteilhaft, weil Seiten im Internet bspw. zeitnah aktualisiert werden können, falls doch noch ein Begriff vergessen und nachträglich ergänzt wurde.
Ein deutlicher Hinweis, dass es diese Informationen gibt, sollte jedoch in jedem Fall vorhanden sein, außerdem sollten sie (auf den Homepages) gut auffindbar sein, und jedwedes rumgehansel mit versteckten oder gespiegelten Texten ist übrigens nicht barrierefrei.

Die Positive Tags dürfen dabei gerne schon im Klappentext, hilfreich bei eingeschweißten Exemplaren vor Ort, oder in Werbungshinweisen bei Verlagen oder im Buchhandel auftauchen. Schließlich sind dies wichtige Merkmale, ob das Buch zur Zielgruppe passt, also aktiv danach gesucht werden kann.

Bei E-Books ist das wohl eher eine Sache der Machbarkeit, wie das Lesegerät bedienbar ist. Dies kann für manche Menschen schon eine Hürde bedeuten, wenn relativ aufwändig gesprungen werden muss. Hier hielte ich es sogar für sinnvoll, die CN/TW jeweils vor die Kapitel zu setzen. (Siehe auch folgenden Absatz.)

Die CN/TW-Seite könnte
a) alphabetisch sortiert sein,
b) nach Schwere und Vorkommen der warnwürdigen Dinge, aber auch
c) kapitelweise Listung hat sich als anwendbar erwiesen, möglicherweise in Kombination zu allgemeinen Hinweisen. Also allgemeine CN-Begriffe für das gesamte Buch und nachfolgend expliziter für einzelne Vorkommen.
Schön und ausgesprochen hilfreich fand ich auch bei einigen Büchern, die ich las, dass spezifische Warnungen zusätzlich
d) direkt vor den einzelnen Kapiteln standen. Ansonsten hätte ich manches vielleicht überlesen, oder schlicht vergessen, jeweils vor Lesen der Kapitel am Buchende nachzuschauen. Auf diese Weise waren die Warnungen noch frisch im Gedächtnis und ich ging einigermaßen vorbereitet in die Kapitel.

Bei Anthologien hätte ich die Warnhinweise übrigens auch gerne jeweils vor den einzelnen Geschichten. Sie können auch anderswo gelistet sein, aber dort direkt unter der Überschrift erscheinen sie mir persönlich am sinnvollsten, zumal ich sie meist mit E-Book-Reader lese und dann nicht immer aufwändig blättern müsste.

Beispiele für CN und TW

Wir Autor_innen können nicht wissen (und daher wohl nie alle auflisten), welche speziellen Auslöser es für Menschen bezüglich Trauma gibt, welche genau den Trigger bei einzelnen Personen auslösen. (Trigger: englisch für Abzug bei Schusswaffen – und genau so plötzlich kann die Retraumatisierung erfolgen, unwissenschaftlich in meinen eigenen Worten wiedergegeben.)
Jedoch gibt es einige Warnungen, die unbedingt immer gesetzt werden sollten, wenn sie im Text vorkommen, als da unter anderem sind, nachfolgend einige Begriffe in einer ungeordneten Liste:

  • Allgemein Störungen beim Essverhalten
  • Nacktheit
  • Angststörungen (und Phobien)
  • Alkohol und Drogen (Sucht)
  • Blut
  • Missbrauch
  • (sexualisierte / rassistische) Gewalt
  • Depression
  • Suizid
  • Tod
  • allgemeine Feindlichkeit gegenüber Minderheiten (Marginalisierten)
  • Queerfeindlichkeit
  • Rassismus
  • Religionsfeindlichkeit
  • Behindertenfeindlichkeit … und vieles mehr, weitere Entsprechungen lassen sich vielleicht bei einer Internet-Recherche oder mit dem SR/Verlag besprechen und finden.

Dies ist eine unvollständige Liste. Begriffe wären ohnehin je nach Art der Geschichte und des Genres anzupassen. Vielleicht kommen medizinische Dinge in eurem Roman vor, ihr schreibt über Kinderwunsch eurer Protagonisten, familiäre Abhängigkeiten, Posttraumata – all das könnte bei Lesenden etwas auslösen. Bei einem SR fielen womöglich weitere Stellen auf, für die, wenn sie im Buch belassen werden, vom SR zusätzliche CNs vorgeschlagen würden.

Wie explizit darf es sein?

Die Content Notes und Trigger-Warnungen können je nach Härtegrad durch Hinweise in Klammern entschärft oder verstärkt werden. Beispielsweise wurde mir in einer meiner Kurzgeschichten angemerkt, dass sich die genannten CN viel fürchterlicher und angsteinflößender gelesen hätten, als es in der relativ flauschigen Story tatsächlich vorgekommen war. Doch lieber ein CN zu viel als eins zu wenig, denke ich mir.
Es klingt ja auch zunächst schlimm, wenn da so etwas steht wie: Body-Horror. Damit mag vielleicht nur auf die Verwandlung eines Menschen in ein Tierwesen hingewiesen werden. Dies kann textlich einerseits mit eindrücklich geschilderten Sinnes-Eindrücken beschrieben werden. Dann stünde da beispielsweise in der TW: Body-Horror (äußerst explizit). Oder die Verwandlung ist nur angedeutet als nebensächliche, unrelevante Handlung oder ist nicht weiter beschriebene Information. In jenem Fall könnte der abgeschwächte Warnhinweis lauten: Body-Horror (impliziert, angenommen, erwähnt o.ä.).

Nachtrag, Zusammengefasst

Wie und wo potenzielle Lesende auf die Bücher stoßen und wie sie somit an die Informationen zu Inhalten im Roman kommen, ist auch noch einmal eine Überlegung wert.

Wird eine Warnung erst im Buch selbst gefunden, wenn es längst gekauft wurde, ist es womöglich zu spät, falls die Warnungen gegen das Lesen sprächen.

Im Internet, das nicht vorausgesetzt für alle jederzeit zugänglich ist – hier gemeint sind Kauf- und Verlagsseiten – sollte zumindest eine CN-Liste verlinkt sein, um sich vorab informieren zu können.

Wer Bücher direkt im Laden kauft, hat es meist mit eingeschweißten Exemplaren zu tun. Auch da wäre eine kurze Zusammenfassung außen und ein Link zur Buch-Info sinnvoll, finde ich.

Autor_innen/Verlage: Sucht euch bitte Sensitivity Reader.

Fazit: Die eine ideale Lösung mag es nicht geben, aber jeder Hinweis, der veröffentlicht und gefunden werden kann, ist hilfreicher, als es gar nicht erst zu versuchen. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Dass in Büchern, Romanen, Anthologien und Texten allgemein derartige Warnhinweise und Inhaltsangaben selbstverständlich eingefügt werden, sollte sich optimalerweise inzwischen allgemein durchgesetzt haben. Also nicht ob – über die Notwendigkeit möchte ich nicht streiten, die besteht fraglos –, sondern wie und wo das stehen sollte.

Kommentarfunktion ist deaktiviert

top ▲

impressum · M@il · XHTML · © Oktober_2001-2007 Rat Ed Home. Rattarium is powered by » WordPress | » WPD