Landkarten und Drachen-Rezi
Hic sunt dracones heißt die Anthologie mit 33 fantastischen Kurzgeschichten (und einem Essay), erschienen bei den Münchner Schreiberlingen.
Meine persönlichen Anmerkungen zu den einzelnen Geschichten, teils sehr „picky“. Mir haben die ersten Geschichten, die mit Drachenanteil gut gefallen, im zweiten Teil dünnen sich die Drachenvorkommnisse leider aus.
01 Ubi Sunt Dracones
Die erste Story ist ein Essay von Dr. Carsten Gerhard.
Ich überblättere selten Texte, hier tat ich es. Die Auflistung von Daten hat mich unsäglich gelangweilt. Kein guter Einstieg für mich.
02 Hier gibt es Drachen, von Marie Mönkemeyer
Oh ja, das wollte ich lesen. Wie sich Wahrheitsliebe mit Ethik verbinden lässt. Corussas Reise ins Land der Drachen hat mir gefallen.
03 Wyvern und ihre (Un)Arten von Cornelia Schulz
Auch ok zu lesen, es kommen einige Drachenarten darin vor. In einer Nebenstory werden unausgesprochene (romantische) Gefühle vertextet. Selbe Dynamik wie in der Story davor. Der Geschichte zur Wahrheit verhelfen, in dem man sich entscheidet, sie zu verschweigen.
04 Terra Draconis, Maria Seychaska
Herrje, was bin ich lesend? Da würde sich der Kapitän eher über ein Loch im Schiffsrumpf freuen, bei der die Dschunke sinken könnte, weil somit feststünde, dass sie den Ziel-Ort erreicht hätten? Hä? Was ist das denn für eine Logik?
Seltsame Beschreibungen: „fischgetränkten Meeresspuckewellen“. Krass. Aber immerhin ein ungeheuerlicher Seedrache dabei.
05 Der Preis der Neugier, Saskia Dreßler
Aus Sicht eines Drachen mit Neopronomen, beides sehr fein. Einsicht und Aufopferung auch hier das Thema. Gefiel mir außerordentlich.
06 Die Legende vom Goldenen Drachen, Serenity Amber Carter
Oh, die mag ich. „Ghoul Ragout, Schwatztee und Pulled Ork.“
Japp, die war richtig gut und sehr witzig. Köstlich (hihi) im doppelten Sinn.
07 Zusammenkunft von Britta Redweik
War auch prima, schönes versöhnliches Ende. Genderneutral geschrieben. Drachen auf dem Weg ins Licht, eine Völkerverbindungsfindung.
08 Auf der Suche nach Menschlichkeit, Ronja Schrimpf
Mit einem Kartendämon im Black Forest, nice. Erkenntnisreise, das Fazit gefällt mir: Sich verbiegen müssen, um an eine (künstliche) Norm anzupassen, ist nicht alles, wenn alles, was man ist, dafür aufgegeben werden müsste.
09 Drachenblut, Felicity Green
Uff, atemberaubende Story im Stil von Jumanji, und am Ende viel zu wenig Drache für meinen Geschmack.
10 Aber Drachen gibt es doch gar nicht, Lukas Vautz
Eine Weltraumgeschichte. Anfangs lustig, aber Ableismus? Und Physik? Und überhaupt. Nein, nicht so meins.
11 Sphärenklänge, von Roxane Bicker
Ungewöhnlich, in jeder Hinsicht. Sehr krass. (Sphärenportal. Wüste, Musik)
12 Die OMAN-Gesellschaft, von Sarah Malhus
Sehr spannend. Yay, Neopronomen! Eine Abenteuergeschichte. Mag ich.
13 Der einsame Berg, Helen Obermeier
Ein Wort: wow! Grandiose Perspektive und Background. Kluge geschriebene Trauma-Bewältigung.
14 Von Höhlen und modernen Drachen. Natascha Echweiler
Uff. Persönliche Abneigung. Mag keine Kindergeschichten, jedenfalls nicht so. Einerseits können die Kids Latein, glauben aber an Schatzkarten-Märchen? Klischee, das mich nervt: das gebildete, schlaue Kind wird für Cleverness geshamet. Aber immerhin mit einem Drachen
15 Dracones.net, E.S. Schmitt
Uh, sehr geheimnisvoll. (ein Sensitivity Reading hätte an manchen Stellen allerdings gutgetan, und eine CN title=“Content Note“ für die Erwähnung jener Buchreihe einer transfeindlichen Autorin). Ansonsten okay. Und spielt in München.
16 Tabula Draconis, Münchner Ausgabe. Manuela Krämer
Ieks, das ist ja ein unerwartetes Ende.
17 Das Dorf der Drachen, Julian Gräml
Kolonialismiuskritik? Es endet etwas blutig, das sah ich nicht kommen.
18 Es gibt hier keine Drachen, Andreas Jung
Ich bin nicht sicher, ob ich die Story mag, oder eher nicht. Gut geschrieben ist sie, der Rest ist meine persönliche Abneigung.
CN gore.
19 Der Heilige Hain. Tala Jacob
Joah, kann ich mit leben. Mit Dryade.
20 Medusas Schlangenfrisur, Alisha Pilenko
Sehr, äh, griechisch. Alt-griechisch. Im Stil von Asterix? Eine sehr, äh, haarige Story, Medusa mit Bad-Hair-Day.
21 Die Stadt unter der Stadt. Abdullah Doubli
Da ist Munich wohl etwas verschütt gegangen.
22 Behind the doors, von Jon Barnis
Hm, spannend, dynamisch.
Keine Drachen mehr in den Storys, ich prangere das an.
23 Filix Knochen. Iva Moor
Großartig, schon bei den ersten Sätzen. Elter-Kind-Konflikt aufgearbeitet. Dem letzten Satz möchte ich widersprechen, er ist doch dabei.
24 Wandel, Lena Richter
Es sind Kurzgeschichten wie diese, weshalb es sich lohnt, die Antho #HicSuntDracones zu kaufen.
25 Der Weg nach El Hurrado, Tino Falke
(1 Herz extra für diesen Namen). Waschechter Solarpunk mit annehmbarer (+) Handlung und einem ChiBy (kennt ihr noch diese quasselnden Furby-Spielzeuge?).
26 Echt, von Dani Aquitaine
Eine Romanze mit… Überraschung. Der Gender-Wechsel war etwas holprig, aber im Großen und Ganzen mag ich die Story. (Ein Herz für Chimären-Content)
27 Wo ist Lex. Michael Leuchtenberger
Nicht meins, zu viel Horror.
28 Vom Leben in der Stadt. Iris Läster
Sehr seltsam.
29 Herz aus Tinte, Francis Behrend
Tintenhautkarten, sehr mysteriös.
30 Am Ende finde ich dich, Juliane Weigel-Krämer
Warum müssen Menschen streiten, wenn sie auch einfach reden könnten?
31 Horror vacui. Isabell Hemmrich
Grandiose Story. Der Stil des Reiseberichts in der Tat so, wie ich es aus den alten Büchern im Schrank meiner Ur-Großtante kenne.
32 Statt Knoblauch, Lily Magdalen
Werde ich je Zwiebeln wieder neutral betrachten können?
(Und, own voice-Erfahrung: nach wenigen Minuten tränen die Augen nicht mehr.)
33 In den Tiefen, von Sophie Jenke
Sehr … äh … magisch, irgendwie. Coole Idee.
34 Intensive Intrigen, von Stefan Hain
Sehr verworren.
Hinweis in eigener Sache: Die Story, die ich für die Ausschreibung schrieb (ist nicht in der Antho), ist hier nachzulesen, bzw auch zu hören, es gibt eine Audioversion.
Kurze Zusammenfassung: Ein Drache programmiert eine Karte, die eine Fehlfunktion produziert, die zu interessanter Eigendynamik in der Virtualität führt.