Emanzen am Rad
Der kleine grüne Wagen hat die Wintermonate gut überstanden und so befand ich, es wäre an der Zeit, die Sommerpuschen aufzuziehen. In meinen besten Zeiten habe ich so einen kompletten Reifenwechsel innerhalb von 20 Minuten geschafft.
Da dieses aber etliche Jahre her ist, denn das letzte Gefährt, der Renault 21 hatte Allwetterreifen und war im Winter überhaupt nicht zu fahren. Allein der Gedanke, in diesem Riesenstückseife auf der Schneepiste zu schliddern war abschreckend genug.
Beim Kauf des Peugeots waren die Sommerreifen dabei gewesen. Die passten sogar alle vier in den Kofferraum – was zeigt, wie groß diese Ablage ist. Oder wie klein die Reifen sind. Das Handbuch war allerdings nicht dabei, das holte ich mir später über eBay.
Vor der Tat blätterte ich in diesem Heft sicherheitshalber zum Kapitel Reifenwechsel. Klar, die Ansatzpunkte für den Wagenheber waren dort, wo sie eigentlich sein sollten (ich hatte nur nicht erwartet, dass man erst halb unter die Karre kriechen muss, um den Wagenheber anzusetzen). Wagenheber? Der sollte laut Heft im Fach mit dem Ersatzrad liegen. Unter dem Auto. Nee, das baue ich nicht extra aus, beschloss ich – wir haben sicher so etwas in der Garage. Nach einer halben Ewigkeit Suchens fand ich einen, daneben entdeckte ich dann auch die drei, vier anderen. Der Mann sollte wirklich einmal seine Sachen aufräumen.
Eine Weile dauerte es auch, bis ich ein Werkzeug fand, mit dem die Schrauben zu lösen waren. Eigentlich fand ich es nicht, oder nur teilweise, weil das Kreuz, das ich eigentlich suchte, durch Abwesenheit glänzte (haben wir so etwas überhaupt noch und wenn ja – wo?) und das andere Teil nur unvollständig in einem Haufen Werkzeug auf einem Tisch (Tisch? Kreissäge!) in der Garage lungerte. Aber das Handbuch versprach ja Bordwerkzeug, leicht zugänglich im Kofferraum, und so nahm ich eben jenes und das Schicksal seinen Lauf.
Die Sommerreifen hatte der beste Ehemann von allen (an dieser Stelle meinen Dank an E. Kishon für diese geniale Redewendung) im Fahrradschuppen gelagert, leider erst, nachdem der Regen die Beschriftungen für vorne und hinten abgewaschen hatte. Die Radkappen gingen relativ zügig herunter. Professionell hatte ich die Handbremse angezogen und die Muttern etwas gelöst. Dann kam der Akt, die Wagenheber unter die Markierung zu bekommen, und das mit meinem kaputten Knie. Kotau vor dem Erfinder des Miniautos. Dann wurde das Autochen hochgekurbelt und die drei (!) Schrauben ganz gelöst.
Wer auch immer diese festgezogen hatte – er wusste ganz sicher nicht über die Bezeichnung Newton-Meter. Zwei von den Dingern ließen sich nur mit brachialster Gewalt meinerseits lösen. Der geneigte Leser mag sich vorstellen, wie eine nicht ganz zarte Frau das Werkzeug ansetzt, sich auf dieses stellt und mit dem ganzen Gewicht solange darauf wuppt, bis der verdammte Bolzen nachgibt.
Leider hatte sich durch das Wuppen und Kurbeln der Rest des Peugeot an die Gesetzte der Erdanziehung erinnert und war auf der Garagenauffahrt mit drei Rädern ein Stück rückwärts geglitten. Das vierte Rad war ab und der Wagenheber in gefährlicher Schräglage. Mit Angstschweiß auf der Stirn und zitternden Händen musste ich dennoch wieder auf die vorige Höhe kurbeln, um den blöden Sommerreifen auf die Achse zu bekommen.
Dieses Spiel wiederholte sich auch am Hinterreifen. Prima, was bin ich doch gut! Ich brauche keinen Mann für so was, das kann ich ganz alleine!
Allerdings bekam meine Euphorie kurz daraufhin ein Dämpfer, denn die Reifen der rechten Seite ließen sich keineswegs so einfach austauschen. Die Schrauben saßen fest, da war nichts zu machen. Einzig das massive Werkzeug zeigte Schwäche und verbog unter meinen Anstrengungen. Toll, links Sommer- rechts Winterreifen. Und nun?
Der Mann kam ein wenig später am Tag heim und machte sich sogleich an die verpfuschte Arbeit. Er kramte hier ein wenig und sucht dort ein bisschen und schon hatte er die fehlenden Teile des Werkszeugs gefunden, das sich mir nur als Fragment gezeigt hatte. Dann setzte er noch eine Verlängerung an und mit einem ekelhaft süffisanten Lächeln drückte er scheinbar mühelos die Schrauben auf und meinte: „Geht doch ganz leicht.“
Ich werde mir dieses Schraubdings sichern. Heimlich verstecken. Zur Benutzung im Herbst, wenn es heißt, die Kiste für den Winter klar zu machen. Denn Reifenwechseln, das kann ich ganz alleine. Ohne Mann. Ich brauche halt nur das richtige Werkzeug und höchstens eine Verlängerung. Pöh!