Die Maske und ich
Es herrscht Maskenpflicht. Supermärkte, Busse, Bahnen und andere Orte dürfen nur mit Mundschutz betreten werden. Das finde ich völlig korrekt. Alle schützen so sich und andere vor einer Ansteckung und Ausbreitung der Pandemie.
Die meisten halten sich dran. Auch das ist korrekt. Es gibt Leute, die das ignorieren, die Maske nur unzureichend und halbherzig anwenden. Verstehe ich auch, denn das Teil kann ziemlich lästig sein. Für die meisten. Für mich ist es die Hölle.
Deshalb schmerzt mich auch jeder fiese Kommentar, der den Maskenverweigerern die „Pest an den Hals“ wünscht. Klar handeln jene unverantwortlich und unsozial. Klar regen sich die anderen, die Korrekten, zurecht darüber auf. Aber jede dieser Verwünschungen löst bei mir mindestens einen Stich aus und es tut herzlich weh, so pauschalisiert zu werden. Ich bin ja nicht alleine mit meiner Unfähigkeit, es gibt Menschen mit Atemproblemen, zum Beispiel, denen es genauso geht.
Wirklich, ich habe versucht, so ein Ding zu tragen. Habe verschiedene Modelle getestet, hier zuhause ein Probetragen veranstaltet, war anfangs sogar mal kurz einkaufen – und kam als mentales Wrack zurück.
Ich kann es nicht ertragen, irgendetwas vor dem Gesicht zu haben. Es fühlt sich an wie Ertrinken, nur in trocken. Als würde mir jemand die Atemwege zuhalten. Einmal ausatmen und die Brille beschlägt. Beim Einkaufen vermeide ich bewusst, normalerweise, mit den Händen ins Gesicht zu fassen – zu viele Leute vor mir hatten den Griff vom Einkaufswagen angefasst.
Und nun habe ich etwas vor dem Gesicht und ich muss ständig mit den Händen hinfassen und nachjustieren etc. Es ist unerträglich! Mit aller mentalen Kraft, die ich aufbringen kann, ertrüge ich dies grad noch so, könnte evtl sogar noch halbwegs sinnvoll die Einkaufsliste arbeiten. Aber! Da sind andere Menschen. Die mich ansprechen, mit mir reden wollen. Ich habe Schweißausbrüche dadurch, die Brille beschlägt noch mehr, ich bekomme Panik, kann nicht aus der Situation, kann nicht aus dem Laden, kann nicht mal mehr antworten. Reiße mir draußen die Maske vom Gesicht.
Seitdem (seit langen Wochen nun) gehen andere für mich einkaufen. Sie versuchen ihr Bestes, aber entweder bringen sie nur die Hälfte, oder das Falsche und nur, was wirklich auf dem Zettel steht. Und ich kann nicht raus, um selber einmal für mich etwas zu holen und zu schauen. Ich fühle mich zunehmend ungesund und falsch ernährt.
Ich war seit Wochen, Monaten, nicht mehr beim Friseur. Selbst kurze notwendige Arztbesuche kosten Überwindung.
Raus gehe ich nur noch dorthin, wo ich voraussichtlich keinen Menschen begegne. Habe keine sozialen Kontakte mehr außer online und telefonisch. Möchte mal wieder meine Freundinnen besuchen oder die Familie (ich kann nicht glauben, dass mir sogar das fehlt). Bin jedoch völlig isoliert vom Leben da draußen, gehe noch nicht einmal mehr einkaufen.
Eins sollte doch meinen, dass mir die zwangsweise Isolation als introvertiertem Menschen mit Kontaktschwierigkeiten nichts ausmachen sollte. Nein, leider funktioniert das so nicht. Ich bin gerne alleine, das stimmt. Aber ich habe mich seit meiner Jugend nie so einsam und eingesperrt gefühlt.
Und deshalb ist das für mich und womöglich auch andere so total arschig, wenn pauschal alle Maskenverweigerer übel beschimpft werden (und damit meine ich ausdrücklich nicht nicht dieses ignorante Pöbelvolk, das mit voller Absicht alle anderen in Gefahr bringt).
Bitte, lasst diese Vorverurteilung, ohne die Hintergründe zu kennen. Das tut weh.
Nachtrag Januar/Februar 2021
Inzwischen wurde ich von einer nahestehenden Person durch diese Angststörung gecoacht. In ganz kleinen Schritten habe ich mir nun, als der fiese Schalter im Kopf umgelegt war, ein Stück meiner Freiheit zurückgeholt. Ich war zunächst auf der Hunderunde mit Maske unterwegs, dann kurz im Supermarkt, beim Arzt, wieder im Supermarkt – und es funktioniert. Nicht allzulange und auch immer noch nicht ganz ohne Unbehagen, nicht atmen zu können, aber immerhin habe ich nun eine Strategie, was zu tun ist, wenn das Gefühl aufkommt.
Beim heutigen Einkauf habe ich mich sogar mit Menschen unterhalten können. Das ging vorher gar nicht.
Alleine hätte ich das nicht geschafft. Ich war von meiner Angst zu verstört, um klar darüber nachdenken zu können. Der Kick von außen war entscheidend.
(non-mentioned: Danke!)
Es gibt Freund_innen, mit denen hängt eins ab, macht Freizeit-Dinge zusammen. Von solchen Bekanntschaften habe ich etliche. Und dann gibt es welche, die sich aktiv um einen sorgen und auch mal etwas ansprechen, was weh tun kann. Ich habe das Glück, nicht nur Freund_innen der ersten Kategorie zu haben.