Warum Blind-Metaphern Ableismen sind
CN: Behindertenfeindlichkeit Ableismus
In diesem Text: Negativbeispiele, Erklärung, eigene Erfahrungen, Verbesserungsvorschläge.
Negativbeispiele
„Sag mal, bist du blind, oder was?“
„Wie kann man denn das nur übersehen?“
„Die sind auf dem rechten Auge blind.“
„Das sieht doch selbst ein Blinder mit Krückstock.“
„Nee, da hat XYZ einen blinden Fleck in der Wahrnehmung.“
„Mit dem Zweiten sieht man besser.“
Erklärung, was bedeutet es
Die Liste ist lang und bestimmt habt ihr solche Redewendungen oder ähnliche schon gehört oder selbst gesagt. Es sind Metaphern. Und sie sind ableistisch (behindertenfeindlich)!
Warum?
Argumente, die meist reflexartig von Menschen erwidert werden, sind zum Beispiel: Man habe es ja nicht so gemeint, das hätte ich lediglich falsch verstanden. Das sei doch kein Ableismus. Den blinden Fleck im Auge gibt es doch wirklich. Was ist denn daran behindertenfeindlich? Sei nicht so empfindlich. Und so weiter.
Einen Sinn abzusprechen bedeutet in der Regel etwas abzuwerten. Wer nicht alle Sinne beisammen hat, wird als minderwertig herabgestuft. 1 Das Attribut Blindheit wird als negativ, als Mangel hervorgehoben. Wie oft sagen wir: Ich sehe, was du meinst. Ist dieses Sehen nicht da, ist es ein Ausdruck von Nichtverstehen. Mit dem Vorwurf, etwas nicht gesehen zu haben, wird mangelndes Verständnis unterstellt. Also quasi Dummheit. Zu behindert, um etwas korrekt zu verstehen. Hinweis: Behinderung ist nicht gleich Unwissenheit. Und Unwissenheit, Nicht-können abzuwerten ist ebenfalls ableistisch, übrigens! Nicht alle Menschen haben die gleichen kognitiven Fähigkeiten. Hier zu differenzieren ist Saneismus, eine andere Form von Behindertenfeindlichkeit. (Wer nicht ins System passt, wird herabgestuft und marginalisiert. Das muss sich bitte dringend ändern, den Wert eines Menschen aufgrund von Fähigkeiten oder Behinderungen einstufen zu wollen.)
1 „Wer nicht alle Sinne beisammen hat“ – dies wird auch häufig als abwertende Metapher verwendet.
Weshalb verletzt es mich?
Als Mensch mit „Augenproblemen“ bin ich von frühester Kindheit dafür an gehänselt worden.
Weil ich eine Brille tragen muss.
Weil ich nicht abschätzen kann, wann eine Tasse gefüllt ist.
Weil ich nicht weit sehen kann.
Weil es Winkel gibt, aus denen ich einfach nichts kommen sehe.
Weil ich nachtblind bin, daher nachts weder rausgehe, noch ganz bestimmt kein Auto fahre – und mich regelmäßig dafür rechtfertigen muss.
Weil mir gesagt wurde, mit der Brille müsse ich ja besser sehen können, da sie doch die Sehkraft verstärkt.
Weil ich Leute aus verschiedenen Gründen nicht ansehen kann, und wenn ich es doch aus Höflichkeit tue, diese verunsichert sind.
Weil mir Augenzukneifen (bei Blendung oder um vergeblich Schärfe in den Blick zu bekommen) als böse Schauen ausgelegt wird.
Weil mein bevorzugtes Auge manchmal einfach abschaltet, mir andere Farben als das andere Auge anzeigt, beide zudem unterschiedliche Sehstärken haben.
Weil mir trotz des Wissens um meine „toten Winkel“ Schriftstücke zum Lesen hingehalten werden, die ich aus der Position so überhaupt nicht lesen kann.
Weil ich regelmäßig vor einem Supermarktregal stehe und weder die unteren noch die oberen Produkte brauchbar erkennen kann. Weder mit noch ohne Brille.
Nein, mein anderes Auge sieht nicht besser, nur anders schlecht (ich kann nicht gleichzeitig mit beiden Augen sehen, es ist immer ein entweder-oder).
Und meist schweige ich über meine Probleme, weil ich sie zu oft (wirkungslos) erklärt habe. Weil etwas nicht zu können meist als Schwäche ausgelegt wird. Und ja – Menschen reden tatsächlich lauter, sobald ihnen erklärt wird, dass da Augenprobleme sind. Oder beginnen zu diskutieren, warum ich es doch können sollte, da sie selbst ja keine Probleme hätten.
Nun ja. Jedenfalls ist verbal der Bereich, der mit meinen Augen zu tun hat, inzwischen so metaphorisch wund, dass es nur eines solchen Satzes, wie oben zitiert, bedarf und es tut einfach nur noch weh. Danach bei Erklärungen auf Unverständnis und Abwiegeln zu stoßen, ist dabei eher nicht hilfreich.
Wie geht es besser?
Wenn ihr meint, etwas wurde übersehen und ihr wollt die Person dafür shamen – denn nichts anderes bedeutet eure Abwertung mit so einem Blind-Idiom – dann benennt doch das Problem mit der Ursache. War der Mensch nachlässig? Dann sagt das. Wurde das aus Ignoranz ausgelassen? Dann sagt das. Findet die Person etwas nicht, helft suchen.
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