Wie sich Viren durch Unverstand verteilen
Händeschütteln – ein beliebter Akt zwischenmenschlicher Beziehungen. In Zeiten globaler Ansteckungsgefahr ein überholtes Handeln, wie ich finde.
Auch die Gesundheitsämter warnen in Zeiten der grassierenden Neuen Influenza (kurz: Schweinegrippe) vor derartigen Kontakten und rufen zur vermehrten Hygiene auf.
Ganz anders und entgegen aller Logik, Vernunft und guter Ratschläge verhält sich die kleine Welt in meinem Bekanntenkreis.
Egal, wem ich meine Hand verweigere, ich ernte komische Blicke. Es ist in Deutschland ein gesellschaftlicher Zwang, sich bei jeder Gelegenheit die Hände zu schütteln. Das kennt man in anderen Ländern so nicht. Da wird sich bestenfalls bei der ersten Begegnung einmal die Hand gereicht und dann ist gut.
Meine Gegenüber jedenfalls bestehen trotz der damit verbundenen realen Gefahren auf ein Aneinanderpressen von mehr oder weniger feuchten Handflächen. Meine Bedenken werden abgewiegelt, ich solle mich doch nicht so anstellen, es würde schon nichts passieren und das mit der Influenza sei reichlich überbewertet.
Hallo?
Eine drohende Pandemie, die ganz simpel mit einem Verzicht eines unnötigen Körperkontaktes vermieden werden könnte, eine winzige Änderung im Verhaltensmuster wäre nur nötig – und ICH stelle mich an?
Kein Wunder, dass es so viele Ansteckungen gegeben hat. Kein Wunder, dass sich zum Beispiel Aids so ungehindert verbreiten konnte.
Herrje, ich rede doch nicht von öffentlichem Beischlaf, ich will keine Nasen auf Inuit-Art reiben, ich will auch nicht mittels Strohalm aus Gruppeneimern saufen… Ich mag nur keine Hände schütteln derzeit!
Was mögen die Hintergründe für dieses so leichtsinnige wie unkooperative Verhalten der zwanghaften Händeschüttler sein? Fühlen sie sich persönlich abgelehnt, wenn ich NEIN sage? Manche reagieren geradezu brüskiert auf meine Bedenken. Ich mag die Leute doch trotzdem, auch ohne mich mit ihren an der Haut haftenden Mikrovölkern zu solidarisieren. Oder denken die am Ende gar ICH wäre eine Virenschleuder? Wie auch immer, dieses Phänomen ist mir ein Rätsel.
Dabei habe ich guten Grund, mich vor Sekreten der fiesen Art zu fürchten, meine ich:
So anders wurde mir nämlich neulich im Supermarkt. Da stand ich schon an der Kasse, als zum Eingang jemand mit einem ganz bösen Husten hereinkam. Ich musste warten und hatte Zeit, hinzusehen. Es wurde wiederholt in die Hand gehustet. Dann fasste diese Person wieder an den Griff ihres Einkaufswagens. Daraufhin wurde mir bewusst, dass auch an meinem Einkaufswagen, den ich jetzt am Kassenband entlang schob, Hunderte von Leuten nicht nur ihre Fingerabdrücke hinterlassen hatten, sondern sicherlich auch jede Menge Krankheitserreger. Diese Griffe werden wohl kaum jemals desinfiziert.
Das machte ich umgehend zuhause – ich wusch mir gründlich meine Hände, bevor ich die Einkäufe verstaute. Dabei trieb mich die Angst um, ob ich in der Zwischenzeit wohl schon unbewusst mit womöglich verseuchten Fingern an meine Nase gefasst hätte.
Ich finde Schnupfen und Erkältung ja schon ganz schrecklich, da muss ich mir nicht auch noch eine Grippe holen.