Rezension: Wie die Welt sein sollte
Es geht diesmal um Myrie Zange, ein fantastischer Roman in sechs Bänden, von @karlabyrinth.
Bisher erschienen ist Band eins, als Druckversion, PDF und Hörbuch, Band zwei liegt online ebenfalls als PDF bzw. auch epub-Datei vor und soll demnächst (2020) in Druck gehen. Band drei wird derzeit geschrieben.
Diese Buchbesprechung handelt zunächst von Band eins,
Myrie Die Symmetrie der Schneeflocken.
Vermutlich zunächst. Vielleicht schreibe ich auch noch etwas zu den Fortsetzungen.
Nachtrag: hier geht es zu der versprochenen Rezi von Band 2 (Das Spiel →).
Darum geht es im Buch
Wir lernen im Prolog Myries Mutter und Vater kennen. Es ist ein seltsamer Einstieg, da die Mutter ihr Baby beim Vater besser aufgehoben sieht, es ihm übergibt und dann aus Myries Leben verschwindet. Der Vater, ein Tischler, der bereits liebevoll drei Kinder alleine großzieht, nimmt sie jedoch gerne auf und die Lesenden sind gespannt, wie es weiter geht.
Mit fünfeinhalb treffen wir Myrie wieder, als ihre Großmutter stirbt. Nun werden behutsam die Besonderheiten dieser unglaublichen Welt ausgebreitet: Denn alle Bewohner des Dorfes sind Zwerge, auch die verstorbene Oma Lorna. Was ist Myrie für ein Wesen, wenn sie als Einzige so wenig Zwergisches an sich hat?
Es gibt zudem einen für Fantasie-Fiction ungewöhnlichen futuristischen Aspekt, da alle Häuser des Dorfes mit Räumen ausgestattet sind, in denen virtuelle Realitäten erschaffen werden können. Ok, Zwerge – sie sind bekannt aus mystischen Geschichten, Fantasieromanen, etwa Tolkiens Herr der Ringe – aber wie passen die Science-Fiction-Beschreibungen da hinein? Hier entwickelt sich im Folgenden ein ganz wundersames Zusammenspiel, ein Cross-Over von klassischer Fantasie und futuristisch-utopischer Fiktion!
Und es wird die Lern-KI in die Handlung eingeführt, die von Myrie Omantra genannt wird. Mit Hilfe von Omantra lernt Myrie, während sie – wir treffen sie als fast 12-jährige wieder – in den Bergen in der Umgebung ihres Dorfes wandert und klettert. Omantra ist es auch, die Myrie vorschlägt, sich weitere Bildung in einer besonderen Schule anzueignen.
Myrie entschließt sich, es einmal mit dieser Schule zu versuchen, obwohl sie aufgrund ihrer speziellen Besonderheiten Situationen und andere Personen nur sehr schwer aushalten kann. Darauf wird hier nachfolgend noch kurz eingegangen.
Nun entfaltet sich der eigentliche Zauber dieser epischen Welt, in die nun Stück für Stück weiter eingeführt wird. Es gibt anscheinend nur noch nachhaltige, umweltschonende Transportsysteme und modernste Kommunikationstechnik bis in die entferntesten Bergdörfer. Essen wird in sogenannten Druckern produziert und es gibt ein geschlossenes und funktionierendes Kreislaufsystem, das Notwendiges zum Leben bereithält und Gebrauchtes recycelt wird. Wie hier in Band eins bereits angedeutet, wird das Thema noch intensiver in den folgenden Bänden beschrieben.
Die Schule unterrichtet Schüler, die Zwerge sind, Orks, Lobbuds, Riesen und Elben. Aber auch in diesem Fall überwiegt der futuristische Charakter, da es Virtualitäten gibt, Elektromagnetische Felder, die auf allen Ebenen des täglichen Lebens genutzt werden können – sei es in Spielwelten oder auch nur, um im Raum schwebende Schlaf- und Sitzgelegenheiten bereitzustellen. Als hätte sich die fiktionale Tolkiensche Welt in etwas Reales verwandelt und hätte sich Jahrhunderte später zu einer lebenswerten hypermodernen Gesellschaft weiterentwickelt.
Beschrieben wird im Folgenden Myries erstes Jahr auf dieser Schule und ihre spannenden Erlebnisse dort. Die Mitschüler- und Lehrercharaktere werden eingeführt – und ja, es sind einzigartige Charaktere. So wunderbar sind die Besonderheiten jedes einzelnen herausgefeilt, dass es eine Freude ist, sie kennen zu lernen.
Myrie selbst ist ein Universum an Verhaltensmustern, die teils dem autistischen Spektrum entsprechen. Jedoch werden die Lesenden nie damit allein gelassen, so behutsam werden die Besonderheiten aufgeschlüsselt und erklärt. Selten las ich eine so sensitive Darstellung eines komplexen Charakters.
Fazit – unbedingte LeseEmpfehlung
Was dieses Buch so außerordentlich einzigartig macht, ist für mich persönlich der meist respektvolle Umgang der Figuren miteinander. In einer Welt, die nicht perfekt ist, aber doch nahe daran, wird auch eine Außenseiterperson ernst genommen. Diskriminierung, Ableism, Rassismus sind geächtet. In dieser erdachten Welt geht es um Verständnis, um ein funktionierendes Miteinander, Rücksicht, Empathie und vor allem um Respekt.
Außerdem ist es unglaublich spannend und niveauvoll geschrieben und beileibe kein „Kinderbuch“ obwohl die Protagonisten noch so jung sind. Allein die gehobene Sprache, die in den Dialogen verwendet wird, ist weit jenseits von Jugendsprache angesiedelt, was in meinen Augen ein absoluter Pluspunkt für das Buch ist. Belesene und Gamer werden außerdem mit Vergnügen das eine oder andere verschlüsselte Element entdecken, mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Es scheint eine funktionierende Utopie zu sein, ein Ziel, für das es sich auch in unserer Realität lohnt, solches anzustreben. Ich für meinen Teil würde gerne in einer solchen Wirklichkeit leben wollen.
Warnung: Leider macht das Lesen des ersten Bandes süchtig nach mehr, und nun, nachdem ich den noch spannenderen zweiten Band kenne, bei dem es um ein Spiel (um Das Spiel) geht und einen Teil des dritten Buches, will ich natürlich wissen, wie es weiter geht.