Gedanken zum Wespenstaat
Dieses Jahr haben wir ein Wespennest unter dem Dach des Fahrradunterstandes hinter dem Haus. Was ich persönlich ganz wundervoll finde. Es handelt sich hier um eine seltenere Art, die sogenannte Sächsische Wespe, die nicht so aufdringlich ist, wie etwa die Deutsche Wespe, die ziemlich penetrant auf Süßes fliegt. Diese faszinierenden harmlosen Tierchen (harmlos für Menschen, Fliegen sehen das sicher anders, da sie die Beutetiere der Wespen sind), begannen im Frühsommer mit ihrem Nestbau, einem kugeligen Gebilde mit innenliegenden Waben. Da war das Wetter ungewöhnlich heiß und es herrschte reges Treiben am Nest. Jetzt im Juli haben wir seit Wochen Regenwetter und kühle Temperaturen. Die armen Insekten in ihrem papiernen Schloss dauern mich, die sehen regelrecht verfroren aus. Hängen fast unbeweglich am Eingang an der Unterseite und bewegen sich nur mühsam.
Wenn ich ab und an die gestreiften Mitbewohner aus der Nähe beobachte, frage ich mich: Warum machen die das überhaupt? Plagen sich ab, einen Staat aufzubauen, die Brut hochzuziehen – und im Herbst, nach dem Flug der Königinnen und Drohnen, stirbt das Volk. Ist das sinnvoll? Sind wir Menschen nicht auch in ähnlicher Lage? Unser Sommer dauert natürlich etwas länger, so um die 70 bis 90 Jahre durchschnittlich, aber das Prinzip ist dasselbe. Wir werden geboren, essen, schlafen, vermehren uns und unser Wissen, sterben. Wozu das Ganze? Ich meine, wir wissen, dass wir sterben müssen, früher oder später. Was treibt uns um, unsere Gene zu reproduzieren. OK, das kann man noch mit Geschlechtstrieb und genetischem Bauplan erklären. Macht uns ja auch irgendwie unsterblich, wenn wir in unseren Kindern weiterleben.
Aber warum sind wir wissbegierig? Wozu häufen wir Wissen an, dass wir weder ins Grab mitnehmen können, noch unseren Kindern vermitteln. Denn die machen ihrerseits ihre eigenen Erfahrungen, können nur bedingt aus unseren Fehlern oder Erkenntnissen profitieren und lernen.
Warum ist es uns so wichtig, Spaß zu haben, Güter anzuhäufen – überhaupt aktiv zu werden?
Der nächste Herbst kommt bestimmt. Nicht nur für die Wespen, auch für uns. Für die Dolichovespula saxonica ist jedes Jahr ein Geburtsjahr. Für mich ist der heutige Freitag, der 13., wieder ein Jahr näher an meinen persönlichen Herbst.
Und warum ich das hier schrieb? Völlig sinnfrei, denke ich. Aber ich tat es trotzdem. Und jetzt werde ich mir zur Feier des Tages ein Brot schmieren. Mit Gelee Royale!
Nachtrag 20. Juli
Die Wespen haben es nicht geschafft. War es die Kälte, der daraus resultierende Nahrungsmangel oder hat sie eine Krankheit dahingerafft? Keine Ahnung. Das Nest hängt leer und unbewohnt da. Schade!