Juschkas - Weltreise, Seite 2/2

Beijing

Juschkalein, Sonntag, 09.09.2007, 22:35Uhr

Sonntag, 9. September 2007, still in China

Wahrscheinlich gerade über der Mongolei, aber sicher bin ich mir nicht. Jetzt fliege ich zurück und kann es immer noch nicht fassen. Ich bin mir aber sehr im Klaren darüber, was für eine besondere und intensive Zeit ich hier verleben durfte und schätze mich in der Tat sehr glücklich deswegen.

Müde bin ich allerdings auch, ich habe all das, auch die zwei kurzen Tage hier in Beijing in vollen Zügen genossen und aufgesogen und – das hat Folgen. Vorgestern habe ich tatsächlich, und das ist mir in meinem Leben noch nicht passiert, mir zwischendurch im Hotel das Gesicht gewaschen und mir dann das Gesicht eingecremt. Soweit noch nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich nur, daß ich beim Eincremen bereits wieder die Brille aufhatte... *g*

Es war aber auch viel. Abends spät waren wir angekommen. Es war das Regent, und obwohl es ähnlich luxeriös war und offensichtlich von tollen Innenarchitekten gestaltet, war es doch ganz anders als das Shangri_La. Mir schien, das Regent hätte irgendwo auf der Welt sein können, mit einheitlichen Regeln und Formen wie in all diesen Hotels, wogegen mir das Shangri-La wirklich chinesisch schien. In einer toten Bar, in der es 10 Minuten zu spät war, um noch eine Kleinigkeit zu essen, haben wir einen Cocktail getrunken, haben dann auf dem Zimmer den Zimmerservice genutzt und waren gegen 2 Uhr im Bett. Am nächsten Morgen haben wir die Verbotene Stadt besucht, wie Jiz es uns aufgetragen hatte. Wir konnten zu Fuß vom Hotel aus hingehen und haben es auch gut gefunden. Das Problem war nur, daß wir dann ein bißchen die Orientierung verloren haben. Wir waren auf einem großen Platz und nahmen (zu Recht übrigens) an, daß dies der Platz des himmlischen Friedens war und (zu Unrecht) daß der Zugang zur Verbotenen Stadt geradeaus sein müßte. Zu unserer Rechten ging es zum Palace Museum. Wir sind also geradeaus, um die Ecke, einen Kanal entlang, lang weiter, bis uns Zweifel kamen und wir angefangen haben, uns darüber zu streiten (darf ich an dieser Stelle erwähnen, daß ich Recht hatte!!). Sehr viel später waren wir wieder auf dem Platz, haben versucht, uns zu orientieren, während wir von Chinesen wortwörtlich umlagert waren, die uns irgendwas verkaufen wollten oder bettelten. Nicht sehr entspannend. Am Ende sprach uns eine nette Frau an, die uns durch die Verbotene Stadt geführt hat (hb und ich haben uns auch wieder vertragen). Der Eingang war übrigens rechts - das Palace Museum war die Verbotene Stadt!

Ich fand es gut, dort gewesen zu sein – es war genau so, wie Jiz gesagt hat, man bekommt tatsächlich einen guten Eindruck von dem unfassbar mächtigen, reichen, kranken und auch einsamen und gefängnisartigen Leben der Kaiser.

Mittags haben wir in einem Hutong in einem Mini-Restaurant gegessen. Ich habe bestellt, in dem ich auf den Teller einen Tischnachbarn gezeigt habe. Es schmeckte ganz lecker – so eine Mischung aus Kohl und Pfannkuchenstreifen und Zeugs - Bis hb mir gesagt hat, was das Zeugs war: Kutteln …*g*. Nein, es war echt lecker, die waren so mürbe und so klein geschnitten, daß man kaum schmecken konnte, was Pfannkuchen war und was Pansen.

Wir wurden von zwei kontaktfreudigen Chinesen angesprochen. Wie sich herausstellte, waren es Kunststudenten aus der Provinz, eine Klasse, die ihre Arbeiten in einer kleinen Galerie ausstellten. Wir sind mit ihnen dort hin und das war nicht die reibungsvolle spannende Kunst von der ich aus Shanghai berichtet habe sondern traditionelle eher angepasste Kunst, technisch teilweise ganz gut aber eben auch ziemlich langweilig. Am Ende haben wir ein Bild mit vier Pferden von dem einen der beiden gekauft – sie waren so nett und so bemüht. Tatsächlich haben wir den Künstler heute Morgen zufällig noch einmal getroffen – ist ja auch wahrscheinlich bei nur zigMillionen Einwohnern plus Touristen... In Beijing einen Bekannten wieder zu treffen, damit hatte ich nicht gerechnet *g*.

Nachmittags sind wir zu einer Galerie gefahren, von der Rüdiger annahm, daß sie nicht weit weg sei. Das Taxi brauchte fast 45 Minuten und bis wir sie gefunden hatten, war es schon recht spät. Wir fanden heraus, daß Beijing 798, so die Adresse, eine ehemaliges Fabrikgelände ist, auf dem sich eine reiche Galerienszene befindet und beschlossen, am nächsten Tag noch einmal hinzufahren. Jenseits des Geländes konnten wir wunderbar alltägliches, ganz touristenfreies chinesischen Leben erleben, auch Hutongs wie in Shanghai, wo das Leben auf der kleinen Gasse stattfindet, nur nicht ganz so arm und die Häuschen etwas moderner. Insgesamt schien mir Beijng weniger extrem als Shanghai, weniger reich und weniger arm (und die Luft war übrigens deutlich besser - zu meiner großen Erleichterung)

Unsere Rückfahrt mit dem Taxi war lustig. Weil wir lernfähig sind, hatten wir auf die Karte des Hotels noch mal eine längere Beschreibung der Adresse in chinesischen Lettern schreiben lassen. Der Mann las das und fuhr los. Er bog schnell von der großen Straße ab und führte uns durch sehr kleine und interessante Straßen. Wir waren voller Bewunderung darüber, wie er den Stau umfuhr. Nach 25 Minuten begannen wir, skeptisch zu werden und nach 30 Minuten kamen wir wieder exakt an der Stelle aus, an der wir eingestiegen sind. Das hat schon ein wenig frustriert… Er hat uns nach unseren Protesten dann rausgelassen und uns nichts berechnet. Es scheint so zu sein, daß Chinesen, die rangmäßig unter einem stehen, nicht nein sagen können, ganz oft hatten wir, daß jemand: ‚O.K. – no ploblem‘ sagte, ohne auch nur ein Wort verstanden zu haben. Wahrscheinlich war der Taxifahrer sauer, daß wir die feinen Zeichen, die er über sein Nicht-Verstehen ausgesandt hatte, nicht verstanden haben. Dem nächsten Taxifahrer haben wir die Stelle auf dem Stadtplan gezeigt und er hat uns gut zurück gebracht. Dann sind wir zum Nachtmarkt. Das war seltsam, ca. 50 aneinandergereihte Fressbuden, die nur für den Abend aufgebaut werden. An jedem Stand fast das Gleiche, viele Touristen und um Punkt 10 Uhr wurde zentral die Beleuchtung ausgeschaltet und abgebaut. Also einerseits eine Touristenklamotte und andererseits auch ganz fremd. Es gab Spieße mit Skorpionen und Schlangen und andere Dinge, von denen ich nicht hätte sagen können, ob es Fisch oder Fleisch oder Obst war.

Weil wir so spät waren, haben wir grad noch eine Kleinigkeit bekommen und im Ende hab ich bei MacDonalds einen Burger gegessen. Später haben wir in einer Seitengasse dann noch solche Buden in weniger touristisch gesehen. Da gab es dann auch Seepferdchen am Spieß . Als hätte das noch nicht gereicht, habe ich dann gelernt, wie die Tiere sterben – nämlich am Spieß – denn ich sah einen Spieß, auf dem noch ein Skorpion lebte und sich in konvulsiven Bewegung sterbend wand. Da ist mir dann zum ersten Mal richtig übel geworden.

Fast den ganzen nächsten Tag haben wir in Beijing 798 verbracht und das war ganz toll. Mir ist noch einmal klar geworden, was Kunst für eine Kraft haben kann und daß es mehr ist, als den Platz über dem Bücherregal zu füllen mit was Hübschem.

Nachmittags zurück hatte ich dann meinen nächsten Ausfall *g*. Allerdings muß ich zugeben, daß es nicht nur die Müdigkeit war sondern dabei Alkohol im Spiel war. Als wir wieder zurück im Hotel waren, hatten wir einen kleinen großen Cocktail genommen(eigentlich waren es zwei…), anschließend lag ich dann eine halbe Stunde ohnmächtig auf dem Bett. Dann wollten wir schwimmen gehen. Ich fühlte mich auch schon wieder nüchterner, in der Umkleide allerdings fand ich dann, daß ich furchtbar aussah, als ich den Badeanzug anhatte. Das war auch kein Wunder, denn ich hatte ihn falsch herum an. Das muß man erst mal schaffen!! Bin ich froh, daß ich das gemerkt habe, bevor ich die Kabine verlassen habe…. Nach dem Schwimmen ging es aber wieder :-)

Dann haben wir im Luxus geschwelgt und uns eine 90minütige Ölmassage gegönnt. Sehr nett :-)

Abends haben wir einen Hot Pot gegessen. Das ist so eine Art Fondue mit Brühe, in die man Fisch, Fleisch und Gemüse nach Wahl kocht und zu Soßen ist. Wir waren die einzigen Europäer im Restaurant, was zur Folge hatten, das wir das ganze Essen über bis zu vier Bedienstete um uns stehen hatten, die sich wahrscheinlich sehr über uns gewundert und oder amüsiert haben. Das war vielleicht anstrengend! Von dem komischen Fisch und den anderen fremden Dingen ganz zu schweigen.

Dann wieder zu wenig Schlaf, packen und nun sitze ich im Flieger nun schon eine ganze Weile, bei minus 55 Grad Außentemperatur, 10 600 Meter Höhe und 850 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit und schreibe Euch. Ganz viel habe ich weggelassen, viele kleine Blicke, Szenen, Begegnungen. Was ich über den Kommunismus gelernt habe und chinesische Schrift und die Kulturrevolution und wie es ist, sich in einem Land zu bewegen, daß sich dem Westen öffnet, gleichzeitig aber totalitär ist. Aber jetzt kann ich nicht mehr.

Irgendwann demnächst kommen Bilder aber jetzt erst einmal bin ich über Rußland und ich bin hundemüde. Liebe Grüße,
Juschka

So, ich bin zurück.
nach meiner derzeitigen inneren Uhr ist es viertel vor fünf morgens und die üdigkeit ist nicht weniger geworden, denn ich habe im Flugzeug nicht geschlafen, damit ich besser in den Rhythmus hier zurückfinde.
Der Flug war prima, die Ankunft etwas sperrig, denn wir hatten wohl im Auto ein kleines Licht angelassen und die Batterie war alle, mußten also einen Wagen zum Überbrücken besorgen. Nicht wirklich das, was man sich nach elf Stunden Flug so wünscht. Aber jetzt bin ich froh, in mein Bett zu fallen.
In einem Zimmer im zweiten Stock, in dem man die Fenster öffnen kann :-) Sensationell!

Gute Nacht,
Juschka

China Nachtrag

Juschkalein, Mittwoch, 12.09.2007, 07:36 Uhr

Was mich begeistert hat in Shanghai, war glaube ich die Lebendigkeit. Dort bewegt sich grade etwas und von dieser Woge bin ich mitgenommen werden.

Ich hatte mir vorgenommen, alle europäischen Ressentiments gegenüber China, die sehr spezifischen europäischen und insbesondere deutschen moralischen Wertvorstellungen hinten an zu stellen und zu versuchen, dem Land und den Leuten wie unwissend zu begegnen. Das war gut so, denn so hätte ich auf der Reise nur die Hälfte gesehen. Die Schere zwischen arm und reich ist in China so viel größer als hier, vielleicht ähnlich wie in Rußland, ich weiß nicht. Hier ist das anders, hier gibt es keine Türaufhalter, Papiersammler, diese tausend kleinen Jobs, mit denen sich die Leute durchbringen, hier gibt es Arbeitslose. Ich will das nicht beurteilen, es ist halt anders und beides ließe sich nur schwer in die je andere Kultur integrieren.

Mir schienen die meisten Leute nicht unglücklich(daß Menschen in Armut glücklich sein können, ist natürlich keine Rechtfertigung für ein schlechtes politisches System), es scheint eher so zu sein, daß nach all den Jahren des politischen Terrors trotz allen praktizierten politischen und menschlichen Unrechts es so etwas gibt wie ein Aufwachen, Durchatmen und ein ‚sich wieder bewegen zu können‘. HB hat eine Biographie über Mao gekaut und ich habe ein wenig darin gelesen. Der Terror der Kulturrevolution muß diese Gesellschaft und die Menschen bis ins Tiefste zerrüttet haben. Ein Wahnsinn, einem wird schlecht beim Lesen. Die Schätzungen der Toten schwanken zwischen 35 und 70 Millionen in der Zeit seiner Herrschaft.

Daß chinesisches Einzelleben nichts gilt, scheint aber eine lange Tradition zu haben, das war bei den Kaisern wohl nicht anders. Ich hatte da ein sehr zynisches Zitat von Mao diesbezüglich aber ich finde es grad nicht.
Mao wird offiziell weiter verehrt. In der Kunst gibt es Versuche, sich an ihm abzuarbeiten. Sehr vorsichtig. Ich bin mir gar nicht sicher, wie viel Kenntnis es in der Bevölkerung gibt. Der Westen hatte ja lange auch kaum Wissen darüber und viele Linke fanden ihn ja sehr cool.

Was den Tibet angeht, verstehen die Chinesen die Aufregung wohl nicht. Ihnen scheint der Einmarsch der Amerikaner im Irak nicht unbedingt wie ein Akt der Menschenliebe sondern schlicht wie ein imperialer Krieg. Warum sollten sie also den Tibet in Ruhe lassen. Das macht das eine wie das andere leider nicht besser ;
Was ich wirklich furchtbar fand, ist der völlig gedankenlose Umgang mit allen Ressourcen, von denen wir ja wissen, daß sie begrenzt sind. Unser Wissen darüber ist noch nicht sehr alt, aber ich fürchte, die Welt hat nicht mehr die Zeit, allen anderen Kulturen, die in ihrer Entwicklung an einem anderen Punkt sind, die Zeit zu lassen, da irgendwann drauf zu kommen. Es gibt Ansätze jetzt in Shanghai, sie kommen auch mit den Müllbergen nicht mehr zurecht, aber es ist immer noch irrsinnig viel. A propos, gestern stolperte ich über das hier:

http://www.daserste.de/ttt/beitrag_...

Jetzt aber genug davon. Ich werde weiter in der Mao Biographie lesen wenn ich zeit habe und mich ein bißchen mit China beschäftigen. Es ist eine sehr fremde und interessante Kultur. Sie hat mich inspiriert und begeistert. Wie wäre es bloß, wenn ich in das chinesische Hinterland führe, oder, wie ja schon seit Jahren geträumt, ins Tibet?

Für mich persönlich nehme ich mit ein verändertes Verhältnis zu Lärm und Menschenmengen, einen weniger aggressiven bzw. in Verteidigungshaltung aggressiven Umgang, dieses weiche Fließen, von dem ich sprach. Mir hat der höfliche und vorsichtige Umgangston gefallen, eine schöne Etikette, ich habe mich gerne verbeugt – ich habe das übrigens nicht als kriecherisch oder hündisch wahrgenommen, sondern tatsächlich als … höflich und aufmerksam eben. (das soll ja im Tibet noch ausgeprägter sein)

Mir hat die Körperlichkeit dort gefallen, es gibt ja, trotz Ying und Yang, im chinesichen eigentlich keinen Unterschied zwischen Körper und Seele. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist ihnen dieser Dualismus unbekannt. Hb und ich üben fleissig schmatzen, man schmeckt das Essen in der Tat intensiver. Ihr freut Euch doch bestimmt schon auf unser nächstes Treffen *gg*

Und Photos kommen irgendwann auch :-)
Liebe Grüße,
Juschka

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