von Su
Montagabend
im November ist ein ungünstiger Zeitpunkt, um über die Märzstraße
zu gehen. Es erfordert ein hohes Maß an Konzentration, den vielen
Hundstrümmerln und Besoffenen auszuweichen. Ich verstehe jetzt,
warum der 15. Bezirk in keinem Reiseführer aufscheint, aber zum
Sight seeing war ich ohnehin nicht dort. Nachdem mich meine fürsorgliche
Schwester wochenlang sekkiert hatte, habe ich endlich einen Termin
bei ihrem Gynäkologen für meine jährliche Untersuchung ausgemacht.
Das war der Grund für meinen Slalom auf der Märzstraße.
Die Ordination war nur unter größeren Mühen zu finden. Ein verwinkeltes
Gründerzeithaus ohne funktionierendes Ganglicht stellt für ortsunkundige
Patientinnen eine gewisse Hürde dar. Wenigstens in der Praxis war
dann Licht. Ich war erleichtert. Ich reiß mich ja an sich nicht
um gynäkologische Untersuchungen, und die Vorstellung von einem
untersuchenden Arzt mit einer tropfenden Kerze in der Hand war mir
doch eher unangenehm.
Der Arzt war dann aber richtig nett und interessiert. Ich hab's
gern, wenn ein Arzt nicht ständig auf die Uhr schielt, während ich
ihm Details aus meiner Lebensgeschichte erzähle. Wir führten
eine spannende Diskussion über die verschiedenen Methoden der Verhütung.
Dummerweise hat sich bei dieser Gelegenheit herausgestellt, dass
meine diesbezüglichen Vorstellungen meinen finanziellen Rahmen bei
weitem überschritten. Das hat uns folglich ganz schnell zu anderen
Möglichkeiten gebracht, und er meinte: "Naja, da gibt's ja diese
Dreimonatsspritze, aber wenn sie dran hängen, dass sie die Regel
kriegen, ist das eher nix für sie."
Nachdem ich fertig war mit Lachen, erkundigte ich mich neugierig,
wie denn das so funktioniert, und seine Antwort klang gut. Im Scherz
stellte ich ihm die Frage: "Und ich erspar mir zwar die Regel, aber
dafür fallen mir dann die Haare aus?"
"Naja", sagte er da, "wenn sie mich so fragen, dann muss ich ihnen
schon sagen, dass es zu einem leichten Haarausfall kommen kann."
Ich starrte ihn an wie die Kuh das neue Tor und wollte wissen, ob
er jetzt einen Witz gemacht hat. "Nein, nein", sagte er ganz entrüstet,
"das kann schon passieren."
"Äh, was genau verstehen sie unter leicht? Leicht kahle Stellen
am Kopf oder wie?", fragte ich ihn mit schrillem Unterton. Er lachte
herzlich (naja, so ein sonniger Arzt hat ja auch was). Dann beruhigte
er mich und verprach mir, dass es keine Glatze wird.
"Aber, wenn wir schon beim Thema Nebenwirkungen sind", fuhr er fröhlich
fort, "da sollten sie wissen, dass sie unter Umständen auch noch
Wimmerln bekommen können. So, wie in der Pubertät halt."
Vor meinem inneren Auge tauchte ein Bild von mir auf, wie ich mit
kahlem Kopf und dem Gesicht voller roter Wimmerl durchs Leben gehe.
"He, das ist ein wirklich gutes Verhütungsmittel, es arbeitet mit
Abschreckung!", teilte ich ihm mit und bekam einen Lachkrampf. Danach
lachten wir beide herzlich.
Nach der Untersuchung durfte ich gehen. Bei der Haustür bin ich
dann übrigens doch noch in ein Hundstrümmerl gestiegen.
Su