von Dr. Web, gefunden von Holgi 2000
Wenn Menschen
reden, finden sie zueinander. Im Internet ist das anders. In Diskussionsforen
reden sie vor allem aneinander vorbei. Ganz vorne dabei: Quasselstrippen,
Maulhelden, Besserwisser und Selbstdarsteller.
Diskussionsforen ziehen Leute an, die im richtigen Leben nichts
zu sagen haben. Im Web dürfen sie endlich - nämlich jeden
noch so wertlosen Geistesmüll in Buchstaben giessen und die
Aufmerksamkeit geniessen, die ihnen im normalen Leben verwehrt bleibt.
Die scheinbare Anonymität bietet ihnen Schutz und verleitet
zu schlechten Umgangsformen. Die fehlende unmittelbare Rückkopplung
mit dem Gegenüber wird als "stillschweigende Zustimmung" interpretiert.
Bildschirm-Diskussionen werden mit "echten" Diskussionen verwechselt.
Eine fatale Illusion. "Echte" menschliche Kommunikation besteht
zu einem großen Teil aus dem Austausch von Meta-Information:
Betonung, Lautstärke, Körperhaltung, Gesichtsausdruck
ergänzen die gesprochenen Worte, und erst daraus ist eine korrekte
Informationsaufnahme und -verarbeitung möglich. In der Netz-Kommunikation
bleibt allein das Wort übrig. Missverständnisse sind die
logische Folge, zumal nur die wenigsten Menschen mit der präzisen
Ausdrucksweise eines Schriftstellers gesegnet sind. Das Differenzierungsvermögen
der Forenschreiber beschränkt sich häufig auf die unterschiedliche
Anzahl von Klammern ihrer Smileys.
Nur ein Bruchteil aller Beiträge in Diskussionsforen beschäftigt
sich mit "ernsthaftem" Gedanken- und Informationsaustausch - und
selbst dort ist niemand davor gefeit, dass nicht plötzlich
ein selbsternannter Superclown daherkommt und eine unglaublich witzige
Bemerkung darunter setzt. Verwandt ist diese Spezies mit dem ebenso
unerträglichen Besitzer des letzten Worts. Aber keine Bange:
Nach jedem Schreiber, der das letzte Wort haben möchte, wird
es einen geben, der das "letztere" Wort verlangt. Ein schier endloses
Gebabbel: Die Leute hören einfach nicht mehr auf, zu diskutieren
- selbst wenn der rote Faden bereits lange verloren ist.
Oder die Quoting-Sezierer: Selbsternannte Superbesseralleswisser,
verhinderte oder verkrachte Soziologen, die jede einzelne Zeile
eines Fremdbeitrags zitieren, analysieren und kommentieren - während
sie den Kontext völlig verloren haben oder zu erfassen nicht
in der Lage sind.
Und wehe, ein Neuling stellt eine "falsche" Frage oder verstößt
gegen die Netiquette: Ruckzuck prügeln die "Alten" mit 25 oberlehrerhaft
zurechtweisenden und beschimpfenden Beiträgen auf ihn ein.
Ein Betreiber muss fortwährend kontrollieren, ob die Nutzer
wenigstens die wichtigsten Spielregeln einhalten - dass sie die
Hausordnung wenigstens einmal in ihrem Leben lesen, sollte man allerdings
nicht erwarten. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für
Menschen mit zuviel Zeit - oder zu wenig Freunden. Mit Kommunikation
hat das alles meist wenig zu tun. Je mehr Worte, desto weniger Sinn.
(pb)
Wenn Ihnen diese Argumente einseitig vorkommen - das ist Absicht.
Die Streitaxt [Anmerkung der Red.: Rubrik bei Dr. Web] vertritt
immer eine fiktive Meinung.
Gefunden bei www.dr.web.de