von wortmax
Hurra! Hurra! Wir haben es geschafft! Wahnsinn! Einfach Wahnsinn! Super!
Sensationell! Wir haben es ihnen gezeigt, den Italienern, den Engländern,
den Franzosen, den Argentiniern, Portugiesen und Holländern:
Wir können es noch. Wir haben es drauf. Wir sind Klasse! Wir
sind genial! Wir sind Spitze. Wir sind...
... Zweiter!
Juhuu! Scheiß auf den WM-Titel. Zweiter werden ist viel cooler
als immer nur gewinnen. Die Deutschen sind Rekord-Vizeweltmeister,
das ist doch was, oder? Besser im Fußball sind nur die Brasilianer,
und die müssen das auch sein - und bleiben. Schließlich
wollen wir auch in Zukunft noch mit Freuden an die Copa Cobana reisen,
Caipirinha
saufen bis der Arzt kommt und die braun gebrannten Brötchen-Popos
wackeln sehen - bis zum Finale und darüber hinaus.
Also: Brasilien ist Weltmeister, und Deutschland ist Vizeweltmeister,
das ist schon okay. Und dann gibt es ja jetzt auch noch die Weltmeister
der Herzen. Das sind die Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft
2002, die vielen kleinen knuddeligen Asiaten, die sich in ihren
Großstädten so gern die Füße platt stehen.
Echte Fans! Nicht wie in Europa, wo die Anhänger erst ihren
Spaß haben, wenn nach dem Spiel ein Polizist zum Krüppel
geschlagen wird. Nein, in Südkorea reicht es, ein rotes T-Shirt
zu tragen, sich bunt anzumalen und gut gelaunt auf der Stelle zu
hüpfen.
Tja, und nun ist der ganze Spaß schon wieder vorbei. Ziehen
wir deshalb noch einmal eine kleine Bilanz und konstatieren wir,
welche Erkenntnisse uns das bedeutendste Turnier der Welt gebracht
hat.
Zum Beispiel
in puncto Haarmode. In dieser Hinsicht hatte die Fußball-WM
2002 wirklich alles zu bieten: Torhüter mit Pferdeschwänzen,
jede Menge argentinische Damenfußballer und natürlich
die Kuschelsex-Frisur von Beckham. Und dann die scheinbar implantierten
Kopfbürsten von Ziege & Co.: erschrecken garantiert jeden
Gegner, ideal zum Schuheputzen vorm Spiel.
Am meisten
hat mich jedoch Ronaldo beeindruckt: acht WM-Tore, zehn Bodyguards
und unzählige Millionen auf dem Konto, doch wenn im Frisörladen
mal der Strom ausfällt, ein Mensch wie Du und Ich. Was soll
man dazu sagen? Die Frisur von Ronaldo ist einfach nicht zu toppen.
Es sei denn, er färbt in seine originelle Haarpracht noch die
Worte "Herzlichen Willkommen! Bitte Füße abtreten!".
Oder aber die Senegalesen führen zur WM 2006 Vokuhila wieder
ein.
Heribert Faßbender wird dann sicher immer noch die Mikrofone
quälen. Ich bin sogar überzeugt, der wird alle Fußball-Weltmeisterschaften,
die noch kommen, überdauern. Heiteres Spielerraten mit Heribert:
"Und jetzt auf der linken Seite: Hamann... nein..., Ballack...nein,
auch nicht...., Linke ist das...oder..., ach nein...Frings!"
Das hat Zimmermann-Qualität. Richtig lag er aber bei den koreanischen
Spielern, weil er sich da nur drei Namen zu merken hatte: Kim, Lee
und Park.
Mit dem Zweiten blödfaselt man schlimmer. Neuerdings. Schuld
daran ist ein gewisser Bela Rethy - ein Reporter, der es immer wieder
schafft, etwas anderes zu sehen als Millionen Zuschauer vor dem
Fernseher. Eigentlich ein echter Faßbender. Nur mit einem
wesentlich besseren Timing. So präsentierte er uns sein Highlight
erst im Finale, als er darauf hinwies, dass sich der Brasilianer
Emerson beim Rumalbern im Training die Kugel ausgeschultert hatte
- Aua!
Immerhin wissen wir jetzt, was passiert, wenn sich die Zunge auf
unerklärliche Weise durch den Gaumen nach oben ins Hirn schiebt.
Und wir wissen jetzt, wie der Fußball der Zukunft aussieht.
Man spielt jetzt ergebnisorientiert. Und das ist wirklich bemerkenswert.
Bisher dachte ich immer, die Elitekicker spielen nur aus Spaß
oder um jede Menge Schotter zu verdienen. Aber nein, ich weiß
jetzt, es kommt auch auf das Ergebnis an.
NIcht weniger auffällig war das Bestreben, den Fußball
um Elemente des Turn- und Tanzsports zu bereichern. Denken wir an
die Klose-Salti oder das afrikanische Rumgehoppel vor der Eckfahne.
2006 werden sie wohl auf der Torlatte balancieren wie auf einem
Schwebebalken oder den Ball wie beim Bodenturnen anmutig über
die Schulter werfen.
Keine Frage, das war oscarreif. Und natürlich noch vieles mehr.
Deshalb möchte ich zum Abschluss meines Fazits ein paar wortmax
WM-Oscars verleihen.
Den WM-Oscar für die beste schauspielerische Leistung
hat sich der Brasilianer Rivaldo verdient. Ich bin sicher, hätte
er - wie sonst üblich - ein Feuerzeug an den Kopf bekommen,
er wäre nicht mehr aufgestanden, der Eckfahnenbereich wäre
sein Grab gewesen.
Der WM-Oscar für den besten Nebendarsteller geht an
Leo Kirch. Erst aus lauter Geldgeilheit Millionen von Fussi-Fans
die Livespiele klauen, und dann kurz vor Beginn des Turniers daran
ersticken. Gut gebrüllt, Leo, und selber schuld.
Der WM-Oscar für das beste Spiel geht an die Engländer,
die mit ihrer Viertelfinal-Niederlage gegen Brasilien gezeigt haben,
wie ungemein wichtig und wertvoll es ist, Deutschland in der Qualifikation
mit 5:1 Toren zu schlagen. Suuuper! Obwohl Mutterland des Fußballs,
hat auf der Insel bis heute keiner begriffen, worum es bei dieser
Ballsportart eigentlich geht. Bis auf Gary Linneker...
Der WM-Oscar für die besten Spezieleffekte geht an den
spanischen Trainer Camacho. Seine tellergroßen Schweißflecken
unter den Achseln waren echt gruselig, und der Horror kam - zumindest
bis zum Viertelfinale - immer wieder.
Der WM-Oscar für die beste Regie geht an die vielen
WM-Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten aus den kleineren
Fußballstaaten. Dank ihnen war das Turnier bis zum Halbfinale
außergewöhnlich spannend. Nichts konnte vorhergesagt
werden, und mit ihren Fehlentscheidungen haben sie sich selber fantastisch
in Szene gesetzt.
Den WM-Ehren-Oscar erhalten Beckenbauer und Pele. Beckenbauer
für seine tolle Idee, alle deutschen Spieler in einen Sack
zu stecken und drauf zu hauen. (Das ist halt die alte Fußballschule.)
Dem vermeintlich gesunden Pele möchte ich für sein Engagement
im Bereich der Genitalmedizin danken. Allen Männern einen Ständer
zu wünschen, das ist ein feiner Zug. Was das mit Fußball
zu tun hat, werden wir vielleicht 2006 erfahren. (Siehe Turn- und
Tanzsport!)
Der WM-Oscar für das beste Drehbuch geht an die deutsche
Nationalelf. Ein Torwart, der sich seinen einzigen Fehler für
das Finale aufhebt, eine Mannschaft, die auf ihrem Weg ins Endspiel
fortlaufend zweitklassige Gegner auf sich zieht, dabei die USA "überrumpelt",
anschließend Vizeweltmeister wird und sich dann noch wie ein
Weltmeister feiern lässt - dieses Drehbuch hätte ich selbst
gern geschrieben.
Danke Jungs, das war 'ne tolle Show!
wortmax