Der Schneck
von Mauzi
Irgendwie sind die Schnecken wohl gleichgeschlechtlich, was natürlich
unwahrscheinlich praktisch sein kann. Stell dir vor, du hast Liebeskummer
wegen einem Kerl oder wegen einer Tussie... pah! Ist doch sowas von
egal. Als Schnecke kannst du es ebenso gut mit dir selber treiben.
Ich musste gestern gar nicht so lange suchen. Ich habe einfach die
Blätter der Staudengewächse zur Seite geschoben, und da saß dieses
hübsche braun-beige und wohlgeformte Eigenheim. Behutsam versuchte
ich es anzuheben. Mit einem schmatzenden "blubbs" gab es nach.
"Hallo!", rief ich. "Einer zu Hause?"
Glucksend meldete sich eine dumpfe Stimme: "Wassen los, ey?"
"Ich muss dich mal sprechen, dringend!", antwortete ich. In wellenförmigen,
gleitenden Bewegungen schob sich ein glibbriges Etwas aus dem Häuschen
heraus und - "ploppplopp" - zwei teleskopartige Fühler mit Glubschaugen
am oberen Ende des Kopfes musterten mich unwillig, aber neugierig.
"Hör
mal", sagte ich, "mein hb meint, ich solle mich nützlich machen
und euch einsammeln. Er sagt, ihr würdet an unseren Nutzpflanzen
herumfressen."
Die Teleskope begannen zu vibrieren. Dann brüllte der Schneck
zurück: "Erstens: Wer is hb? Und zweitens: Nuddzpflanzen???
Ich soll mich woll nicht doodlachen , wo sinnen denn hier Nuddzpflanzen?""Also",
erwiderte ich, "erstens: sprich mal ordentlich, ohne diesen grässlichen
Dialekt. Wo hast du den denn her? Und zweitens: hb, das ist mein Mann,
der..."
"Ach hör auf", unterbrach mich der Schneck erneut. "Ich rede wie mir
der Schnabel gewachsen ist. Und wärst du mal öfters hier, dann wüsstest
du, woher mein Dialekt kommt, nämlich von deinem zänkischen Nachbarn.
Und der hb, also dein Mann, ist das der lange Lulatsch mit den großen
Füßen, der hier überall rumtrampelt? Neulich hätte er mich fast platt
gemacht, die Nuss!" Aufgebracht schon sich der Schneck aus seinem
Haus und begann, an meinem Finger hoch zu kriechen.
"Lass das, ich mag das nicht, das ist ekelig", fauchte ich angewidert.
"E-k-e-l-i-g", äffte mich der Schneck ironisch, das Wort in die Länge
ziehend, nach. "Komisch. Meine Damen finden das sehr erotisch." Er
brach in ein obszönes Gelächter aus.
"Halt die Klappe!", fuhr ich ihn an, "sonst ziehe ich hier mal ganz
andere Register.
" Amüsiert zog der Schneck eine Augenbraue in die Höhe und fragte:
"Die da wären...?"
"Ich könnte zum Beispiel Schneckengift ausstreuen", drohte ich.
"Ach hör doch auf!" Der Schneck grinste. "Du und Gift. Du kannst doch
noch nicht mal einer Fliege etwas zu Leide tun. Selbst die rettest
du aus der Regentonne vorm Ersaufen. Und außerdem würde ich das dem
Umweltamt melden...tztztz. Was sagt Schneck dazu? Gift im Garten,
also wirklich!"
"Gut", fuhr ich fort, "stelle ich eben eine Bierfalle auf."
"Ja? Und weiter?", fragte der Schneck.
"Du wirst vom Biergeruch angelockt, plumpst in das Glas, und aus ist
es mit dir."
Der Schneck schleimte von einem Bein auf das andere. "Ich mag aber
gar kein Bier, grundsätzlich nicht. Bin ja nicht blöd." Danach grinste
er frech.
"Harhar", entgegnete ich forsch. "Dann sammle ich euch Brut eben ein
und verkaufe euch an ein Feinschmeckerrestaurant. So! - Oder ich nehme
dich und werfe dich im hohen Bogen zum Nachbarn rüber. Wird dir bestimmt
gefallen, das Gezanke da den ganzen Tag."
"Mein
Gott!" Der Schneck erschrak. "Können wir uns nicht friedlich einigen?"
Ich grinste zurück. "Gut. Hör zu! Ich mag mit hb keinen Stress. Ich
werde jetzt dich und deine bucklige Verwandschaft...", plötzlich bekam
ich einen fürchterlichen Lachanfall. Bucklig. Wie überaus passend.
Der Schneck glotzte mich konsterniert an. Nachdem sich der Lachanfall
gelegt hatte, fuhr ich fort: "Ja also, ich verfrachte euch in
diesen alten Farbeimer und bringe euch dann da hinten auf die Wiese
am Hang.
"Sehr witzig", frotzelte der Schneck. "Im Farbeimer!" Und dann musste
ich staunen, der Schneck konnte Englisch. "By the way", sagte der
kleine Schleimi, "mein Häuschen könnte schon mal wieder einen Außenanstrich
vertragen..., kleiner Scherz am Rande." Er kicherte und entschuldigte
sich kurz darauf, dass er mich unterbrochen hatte. "Erzähl mal weiter!"
"Ja gut", sagte ich, "ich kippe euch behutsam auf die Wiese, und wenn
es dann dunkel wird, dann kommt ihr halt klammheimlich wieder in unseren
Garten. Verhaltet euch ordentlich. Und wenn ihr von den Erdbeeren
naschen wollt, dann fresst halt nicht jede an. Beschränkt euch auf
eine, und was das Wichtigste ist: lauft hb nicht wieder über den Weg!"
"Und?", fragte der Schneck, "was wirst du heute außerdem noch machen?"
Ich überlegte einen Moment. Dann sagte ich ihm: "Ich werde unsere
kleine Plauderei aufschreiben und sie meinen Freunden zeigen."
Nun schaute mich der Schneck fast liebevoll an: "Hast ja dieses Mal
gar keine Katze, die in Deiner Geschichte vorkommt."
Nachdenklich, aber mit liebem Blick lächelte ich zurück: "Doch. Jetzt
schon."
Mm~