Quak - Nachwort für einen Frosch

von Holgi 2000


Liebe Su, liebe Zuhörer, liebe Frösche,

lasset uns eines guten Freundes gedenken, der in diesen Tagen - von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet - Abschied von uns nahm, um empor zu steigen in den Froschhimmel.

Es gab nicht viele von seiner Sorte. Er war keiner von den aufgeblasenen Artgenossen, über die wir uns als Kinder immer lustig machten. Sein Quaken in tiefer Nacht war geprägt von großer Sehnsucht und ließ uns mitfühlenden Menschen stundenlang wachen Auges seine herzzerreißende Einsamkeit spüren.

Erinnern wir uns: "Lurchi", wie ihn Freunde seit seiner Kindheit nannten, entdeckte in einem kleinen ländlichen Tümpel das Licht der Welt. Doch es hielt ihn nicht lange in der schnöden Idylle von leicht im Wind wippenden Bilsenkraut, ziellos umher eilenden Wasserhüpfern und reglos dahin wabernden Seerosen. Nein, hier wollte Lurchi kein Moos ansetzen. Ihn zog es in die weite Welt, mehr noch: in die Arme einer pulsierenden Großstadt; in eine Stadt, die ebenso rastlos war, wie er.

Natürlich war Lurchi Frosch genug, um zu wissen, dass auch die Großstadt keine Prinzessin für ihn bereit hielt. Aber wo sollte er sein Glück finden, wenn nicht da? Er brach schließlich auch deshalb auf, weil er grün war, denn grün ist die Hoffnung.

Lurchi war dennoch alles anderes als eine Wanderkröte. Als er zum ersten Mal die Außentümpel von Wien passierte, war er eigentlich noch eine Kaulquappe: unerfahren, sprunghaft und grün hinter den Ohren. Aber das sollte sich ändern.

Lurchi hüfpte seinen Weg. Und er fand tatsächlich so etwas wie eine Prinzessin. Zwar hatte Su weder Goldkugel noch Zeit, um mit Lurchi zu spielen. Aber er konnte sich ihrer Zuneigung gewiss sein. Ja, liebe Freunde und Freundesfrösche, unser Lurchi landete bei Su. Und wir alle mögen heute darüber rätseln, was passiert wäre, wenn Su Lurchi nur ein einziges Mal mit in ihr Bettchen genommen und geküßt oder ihn gegen die Wand geklatscht hätte...

Vielleicht würde Lurchi heute noch leben und ein wahrhaft königliches Dasein fristen. Vielleicht hätte er die große Liebe gefunden und mit ihr im Huckepack 2.450 Kinder gezeugt. Vielleicht wäre aus ihm auch ein großer Philosoph geworden (ich quake, also bin ich...) oder ein berühmter Sportfrosch. Die Anlagen dazu hätte er gehabt, vor allem im Schwimmen und Weitsprung.

Sei's drum. Lurchi ist nun für immer abgetaucht. Er ist ein Ex-Frosch. Aber sein kurzes Leben war nicht umsonst. Denn er erinnerte uns mit seiner steten Einsamkeit daran, dass wir alle auf eine gewisse Art und Weise einsam sind und in jedem von uns ein Frosch steckt.

Ja, an diesem heutigen Tage und im Angesicht von Lurchis Laiche will ich zusammen mit Euch mein Mitgefühl bekunden und es laut in die Welt schreien: ICH BIN EIN FROSCH!

Holgi 2000