Generationskonflikt

von HG

Diesen Text habe ich von der 'wunderbaren Mimona' geklaut.

Was ich mir 1995 so vor Langerweile zusammengedacht habe: Für dich als 4jährige sind Schulkinder die Großen, und Weißhaarige sehen dem Tod täglich ins Auge. Dazwischen gibt es Mütter und Väter der anderen Kinder, die sind erwachsen, Omas und Opas sind einfach nur alt. Und Eltern leben sowieso ewig. Sie haben kein Alter.

Mit den Jahren verschiebt sich dieses Bild: Mit 7 glaubst du, dass sich das Leben als Teenager abspielt. Sie reden über Sachen, die du nicht verstehst, sie rechnen und Schreiben, und du kannst dir das alles nicht erklären. 16jährige sind total erwachsen. Mit 20 geht es dann aber bergab: dann werden sie irgendwann eine Familie, werden Mutter und Vater, Oma und Opa und dann kommt irgendwann der Tod.

Mit 16 steigst du aus den Kinderschuhen, aber erwachsen? Nein, das willst du nicht sein. Mit 20 sollte man einen festen Partner haben, aber richtig erwachsen, das sind doch erst die mit 30. Deine Eltern gehen langsam auf die 50 zu. Als Kindergartenkind hattest du diese Generation schon längst abgeschrieben - aber Eltern dürfen nicht sterben, daran willst du nicht denken. Das Leben ist noch lang.

Mit 20 denkst du keinesfalls an einen festen Partner, im Gegenteil - du willst Fun und viel erleben. So eine Familie mit Verpflichtungen willst du erst mit 27, mindestens...

Manchmal versuche ich das alles zu verstehen und erklären zu können. Dann hoffe ich, dass sich das Wesentliche im Schreiben zeigt. Was ist dran am Alter an Jahren und dem Alter im Kopf. Das Denken dauert Stunden und kostet Nerven, alles zu begreifen, was da eigentlich vor sich geht.

Je älter wir werden, um so mehr Jugend gestehen wir uns zu. Und woher kommen so Sätze wie: "Mein Gott bist du groß geworden!", "Ich kenne dich noch als Baby!", "Was???? Der hat geheiratet? Der kam doch erst in die Schule!" und "Wie die Zeit vergeht!"

Wir sagen, dass es uns erschreckt, wieviel Zeit vergangen ist, aber das tut es nicht wirklich. Uns ist niemals richtig bewusst, dass wir sterben und tot sein werden. Die "ehemaligen" Kinder lässt man nicht mitwachsen und die, die älter sind als man selbst, die holt man näher an sich heran; stellt sich an Reife mit ihnen auf eine Stufe. Und der Tod ist noch so weit weg. Man glaubt, diesen ewig vor sich herschieben zu können, wenn man wirklich ehrlich ist.

Ich denke, in jedem sind zwei Langstreckenläufer. Sie hetzen in unterschiedlichem Tempo, jeder übernimmt mal die Führung, ihre Kondition scheint einem unerschöpflich. Und in jedem sieht dieser Kampf anders aus. Das macht das Verständnis zwischen den Generationen eigentlich ziemlich schwierig. Wenn du mit 4 denkst, 20jährige sind alt, fühlen die sich garantiert sehr jung. Aber für sie bleiben die Kleinen ewig Analphabeten, und auf der anderen Seite fühlen sie sich ebenso erwachsen wie zum Beispiel 40jährige - aber 40jährige erkennen diese Reife nicht an, weil sie die Jüngeren nicht mitwachsen lassen.

Mit der Geburt fangen die Missverständnisse an, da kannst du nur älter werden, und im hohen Alter hören sie langsam auf, weil es nur noch Jüngere gibt. Und in dem bisschen Leben dazwischen müsste man sich eigentlich bemühen, jederzeit bewusst zu sein, wie man sich in welchem Alter gefühlt und mit welcher Konsequenz man gedacht hat. Das setzt aber voraus, dass man in Gedanken herumreisen kann. Und so ergeben Sätze wie "Ich versteh dich!" wirklich einen Sinn.

HG