Emergency! Emergency!

von Anka

Da sitze ich nun gestern Mittag in der Rezeption und wollte gerade (weil wieder mal so viel los war!) einen Thread schreiben: über das Forum und die Statistik usw. Jedenfalls kommt dann diese Frau herein und knallt mir die Visitenkarte eines Arztes auf den Tisch. In der Hand hatte sie noch zwei Wörterbücher. Sie erklärt mir dann in einem Gemisch aus Englisch, Spanisch und Körpersprache, dass bei ihr ständig die Leitung besetzt sei. "Emergency! Emergency!", sagt sie und deutet auf die Gästeinfo und die Telefonnummer der "Rettung".

"Hmm", macht Anka und fragt die Frau, was genau denn los sei. Weil so ohne weiteres und ohne irgendwelche Angaben kann man ja nicht die "Rettung" rufen. "Wer weiß" denke ich, "vielleicht hat ihr Alter nur Bauchweh oder sowas."

Na, sie wieder in dem Spanisch-Englisch-Körpersprachegemisch "Emergency! Ambulance!", und deutet an, dass ihr Alter daliegt und sich nicht mehr bewegt. "Verfickte Scheiße", denke ich und versuche, den Arzt von der Visitenkarte anzurufen. Es hebt keiner ab. Ich war natürlich gerade allein im Büro. Weil es war ja bis vor fünf Minuten noch "Tote Hose", und meine Kollegen hatten sich zum Mittagessen verzogen.

Aber der Haustechniker war da. Naja, er war im Haus; ein Haus mit acht Stockwerken und drei Kellergeschoßen. Doch der Techniker hat ein Handy. Also ruf ich ihn auf dem Handy an. Doch wie immer, wenn man ihn dringend braucht, hebt er nicht ab. Ist so üblich. Passiert immer! "Super" - ich wähle die Nummer des Apparates im dritten Kellergeschoß direkt bei seinem "Kammerl". Weil im dritten UG ist kein Handy-Empfang, und wenn er dort ist, kann man ihn so erreichen. Doch er hebt nicht ab. Ok - oder auch nicht.

Noch während ich das Telefon im dritten UG läuten lasse, läutet bei mir der andere Apparat: der Haustechniker! Ich bitte ihn sofort in Zimmer 410 zu gehen. Dort soll angeblich der Alte der Frau, die bei mir ist, liegen. Es ist ein Notfall, sage ich ihm, aber ich bin allein hier und kann doch nicht die "Rettung" rufen ohne zu wissen, was los ist. Der Techniker setzt sich in Bewegung. Zwei Minuten später ruft er mich an und erzählt: "Naja, er ist bei Bewußtsein, kann aber nicht reden bzw. redet nicht. Eine Seite wirkt irgendwie schlaff. Ich soll mir das lieber selber ansehen".

Alamiert machen wir aus, dass er in die Rezeption kommt und ich raufgehe. Wir treffen uns beim Lift. Er meint "des schaut net guat aus." Ich bin hoch erfreut, fahre also mit der Frau in den vierten Stock, während der Haustechniker in der Rezeption die Stellung hält.

In Zimmer 410 hat's eine Luft! Wahnsinn! Der Alte liegt im Pyjama im Bett und schaut, einen Fuß angewinkelt, einen liegend. Ich sprech ihn an: "Hello! Can you understand me?" Er schaut von mir zu seiner Frau und zurück. Ich entscheide mich, die "Rettung" zu rufen, erkläre der Frau, sie soll im Zimmer bei ihm bleiben, eile hinunter, rufe die "Rettung" und lande in einer Warteschleife.

"Irgendwie ist das nicht mein Tag", denke ich. Und dann meldet sich auch schon jemand, dem ich die Situation erkläre. Die sagen, sie kommen in zehn Minuten. Dann meint der Haustechniker, er muss nochmal probieren, den Arzt von dem Visitenkärtchen anzurufen. Tatsächlich kommt er durch und hat auch gleich den Arzt am anderen Ende der Leitung. Der Techniker erklärt ihm, wir hätten hier einen Patienten von ihm und der ist krank. Der Arzt hat natürlich keine Ahnung von nix, weil der Alte vermutlich nicht sein Patient war. Mit Sicherheit kann ich das nicht sagen, aber wir haben von dem Arzt Visitenkarten, falls einer der Gäste eben zu einem Arzt muss. Die sprechen dort auch englisch und italienisch. Kann also sein, dass die Frau sich die Karte nur geholt hat, weil es ihrem Alten nicht gut ging.

Wie auch immer. Der Techniker kann dem Arzt auch nicht die gewünschen Auskünfte geben, und schon hat er mir den Hörer in die Hand gedrückt. Schließlich meint aber auch der Arzt, dass es besser wäre, die "Rettung" zu rufen. Die ist schon unterwegs. Und da Anka ein schlaues Mädchen ist, macht sie schnell noch eine Kopie von der Kopie des Reisepasses. Dann beginnt das Warten.

Natürlich ist es nicht so, dass in der Halle nichts los ist. In eine der großen Dachwohnungen ziehen gerade neue Mieter ein. Die Möbeltransportfirma hat sich gerade auf dem Gehsteig eingeparkt (nicht ohne, dass sie fast durch das Fenster gekommen wäre mit dem Lkw). Und die laden aus. Der Lift ist ständig in Bewegung und blockiert. Wir bitten sie, eine Pause zu machen und zu warten bis die "Rettung" kommt und wieder gefahren ist. Sie willigen ein und laden weiter aus und stellen die Empfangshalle zu...

Der Techniker meint nach fünf Minuten: "Na, die zehn Minuten san aba scho lang um". Ich schaue auf die Uhr und verneine. Kurz darauf kommt die "Rettung". Wir fahren wieder in den vierten Stock. Im Lift gebe ich einem der Sanitäter die Passkopie. Der Arzt begutachtet den Patienten an und deutet einem der beiden Sanitäter an, er soll das EKG-Gerät wieder mitnehmen und stattdessen eine Trage bringen. Dann fängt er mit der Untersuchung an, legt einen Zugang, spritzt einiges und meint, es war ein massiver Schlaganfall.

Ich frage, ob die Frau mitfahren darf. Er meint, es geht sich aus. Ich versuche ihr zu erklären, dass sie Geld und die Reisepässe mitnehmen soll. Sie deutet auf den Safe und gibt mir zu verstehen, dass sie die Kombination nicht weiß. Ich rufe in der Rezeption an und bitte den Haustechniker heraufzukommen und eine Safe-Notöffnung zu machen. Er kommt, setzt das Gerät an, und der Safe geht nicht auf. "Toll", denk ich und hoffe, dass das nicht lange dauern wird.

Der Techniker ruft schließlich die Hotline an und bittet um den Code. Die geben ihm einen durch und siehe da: es geht! Die Frau nimmt die Pässe und einen Packen Geld. Außerdem hat sie schon ein Sackerl gepackt mit Pyjama, Zahnbürste und Medikamenten, die der Alte so braucht. Dann kommt der Sanitäter zurück und sie packen den Alten auf die Trage. Anschließend bringen sie ihn in den Krankenwagen und sind auch schon weg. Natürlich nicht, ohne dass der Lift zuerst in die verkehrte Richtung fährt, aber das war ja eh klar!

In der Rezeption ist inzwischen meine andere Kollegin, die sich die Geschichte im Detail schildern lässt. Dann stellen wir fest, dass ihr Mann, der Chef, im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre. Der hat nämlich am Tag zuvor behauptet, dass der Alte bei uns nochmal sterben wird.

Bitte, ob der Alte mittlerweile tot ist, weiss ich nicht. Ich glaube aber nicht. Immerhin hatte er einen massiven Schlaganfall.

Naja. Ich habe natürlich keine Ahnung mehr, was ich im Forum schreiben wollte. Bin total zittrig und beschließe eben, mich zu "entzittern". Ja, und das bin ich nun auch, denke ich. Trotzdem glaube ich, dass es besser war als eine Leiche zu finden. Ohja!

Zu dem üblen Geruch im Apartment: Es roch nach Essen. Die hatten die halbe Arbeitsfläche der Küche mit vorgekochtem Essen zugestellt, in so großen Plastikjoghurtbechern: Bohnen, Reis, Hendl..., und das riecht man natürlich. Naja, und dann eben vermischt mit dem Geruch von alten Menschen, wobei wiederum die Frau nicht sooo alt ist. Er ist 84 Jahre alt, das wissen wir. Sie ist, naja, grob geschätzt sicher 20 jahre jünger als er.

Soviel dazu. Jetzt werd ich mal schauen, ob es was zu arbeiten gibt.

Anka