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Rattarium  

Drachen

Der Tanz Der Drachen

Herbst in D.

Nun endlich weiß ich, warum sich manche Menschen Kinder anschaffen.

Jetzt im Herbst bläst ein recht kräftiger Wind. Das richtige Wetter, um Drachen steigen zu lassen. Genauso, wie damals in der eigenen Kindheit. Nur kommt man sich als Erwachsener reichlich albern vor, einsam in der Feldmark zu stehen und seinen Adler in den Wind zu halten.

Wohl dem, dessen Kinder als Vorwand für dies‘ unschuldige Vergnügen herhalten können.
Wir haben ja früher unsere Flugmaschinen noch aus Schnur und Papier enthusiastisch selber hergestellt, aber wie begeistert frau und Mutter die Brut heutzutage für einen Ausflug in die raue Natur, wenn das Pc-Spiel grad so spannend läuft?
Ein Blick zum Fenster hinaus, ein Seufzer und halblaut gemurmelt (seltsamerweise hören die Kinnings Geflüstertes eher, als wenn man sie anschreit): „Heute wäre ja das richtige Wetter zum Drachen steigen lassen…“
Wenn dann noch möglichst unauffällig der Drachen auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet wird, natürlich nur, um die Schnur zu kontrollieren, es soll ja kein Knoten in der Leine sein, dann dauert es gar nicht lange und schon steht der achtjähriger Sohn mit Jacke und Mütze in der Tür und fragt ungeduldig, wann es denn endlich losgeht.

Die Grundausstattung, zwei Drachen, zwei Leinen und ein Taschenmesser, ist schnell im Familien-Kombi verstaut und auf geht es in die Feldmark. Dort angekommen, wird dafür gesorgt, dass der Adler des Kleinen zuerst aufsteigt, das Kind ist beschäftigt. Dann kommt Mutters Drache an die Reihe…. eigentlich ist es ja eher eine fliegende Telefonzelle, vom Aussehen her, eine Quader-Grundform mit großen Fenstern.
Sehr gelb aber mit wunderbaren Flugeigenschaften.

Der Wind greift hinein und wirft es in den stürmischen Himmel, wo das Teil mit den Wolken um die Wette fliegt und mit Böen einen wilden Reigen tanzt. Die summende Schnur ist bis zum Ende abgerollt, die „Telefonzelle“ nur noch ein irrlichtender Fleck über uns. Der Adler ist längst flügellahm in den Acker gestoßen. Und die vernunftbegabte, abgeklärte Frau mittleren Alters ist wieder ein glückliches Kind.

Das Alter meldet sich schlagartig wieder, als die Leine reißt und eine entfesselte Telefonzelle führerlos auf die plötzlich viel zu nahe Landstraße zutreibt. Dann doch lieber das Kind im Galopp über den Acker hinterher geschickt und selber, Privileg des nun wieder Erwachsenen, im Auto über den Feldweg, dem übermütigen Fliegdings den Weg abzuschneiden.

Der Drachen, nun gebändigt, ver- und gefangen in seiner eigenen Schnur und das Kind, völlig außer Atem, werden von der Mutter vor der Landstraße abgefangen. Der Ausflug hat dem Gerät nicht gut getan, völlig verdreht ist es und die Leine vielfach verheddert. Zum Glück haben wir das Messer dabei und befreien Kind, Büsche und Drachen von ihrem Elend.

Hoffentlich bläst es morgen auch noch mal so schön, ich habe doch noch diesen super Lenkdrachen vom letzten Dänemark-Urlaub im Keller, den wollte ich schon immer mal… äh… den wollte mein Kind schon immer mal fliegen lassen.

(c) ed 11/2003

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